„Mitarbeiterfreundlichkeit muss der Weg in der Gastronomie sein“ – Interview mit Ronny Siewert

von Redaktion
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Im Gespräch mit Ronny Siewert, Chefkoch „Friedrich Franz“ im Grand Hotel Heiligendamm. Foto: Petra Stadler/ Davidoff DTG 2015

Ronny Siewert hat einen schönen Arbeitsort, nämlich direkt an der Ostsee. Er ist seit 2008 Küchenchef des Gourmet-Restaurants „Friedrich Franz“ im „Grand Hotel Heiligendamm“, ein Michelin-Stern und 18 Gault-Millau-Punkte. Als Gast des Finales der „Tour Gastronomique 2015“ des Zigarren-Herstellers Davidoff hatte ich die Möglichkeit, dem gebürtigen Sachsen-Anhaltiner (Nienburg/Saale) einige Fragen zu stellen, bevor er zurück in die Küche ging, um das Fünfgang-Menü des Abends vorzubereiten. Dieses hatte er gemeinsam mit seinem Kollegen und Gast des Events, Anton Mosimann aus London, entwickelt (Speisenfolge hier).

Herr Siewert, was ist die Idee des heutigen Menüs?
Gourmet-Produkte wie das australische Prime Beef im Hauptgang mit Regionalem wie Rüben- und Bete-Zubereitungen zusammenbringen. Im zweiten Gang trifft der Müritz-Zander auf den Ostsee-Aal, mit Raucharomen von der Zigarre.

Regionalität wird überall betont, ob im Streetfood-Bereich oder in der Sternegastronomie.
Ja, es wird von den Medien in den letzten Jahren stark aufgegriffen. Viele Kollegen, und ich selbst auch, kochen schon seit vielen Jahren, eigentlich schon immer, eine Kombination aus Regionalem und dem, was die Welt zu bieten hat. In unserem Kurhaus-Restaurant stehen Produkte aus der Region klar im Fokus, im Gourmet-Restaurant kombinieren wir. Da stehen es Steinbutt und Loup de mer in der Saison ebenso auf der Karte wie der Ostsee-Aal und der Müritz-Zander, die es heute Abend auch für die Gäste der Veranstaltung gibt.

müritz zander aal - personal, interviews-portraits „Mitarbeiterfreundlichkeit muss der Weg in der Gastronomie sein“ - Interview mit Ronny Siewert

Müritz-Zander, Ostsee-Aal, Apfel, Kartoffelschaum, Meerrettich und Raucharomen

Stichwort Veranstaltung: Ein besonderes Engagement für die Region Nordostdeutschland, Mecklenburg-Vorpommern ist der „Grand Schlemm“ auf Usedom, den ich dieses Jahr zum ersten Mal besuchen konnte. Tolle, lockere Atmosphäre, in die Köche am Strand zeigen, was sie drauf haben. Doch man hat den Nordosten nicht unbedingt sofort auf dem Papier, wenn es um Genuss auf hohem Niveau geht. Warum eigentlich?
Das ist eine Frage, die wir uns auch stellen. Mit Kollegen wie Brian Seifert („Kulm-Eck“, Usedom) oder Tom Wickboldt („Tom Wickboldt“, Usedom) treffe ich mich mehrmals im Jahr, wir tauschen uns aus. Mecklenburg-Vorpommern ist definitiv unterschätzt. Es gibt richtig viele gute Kollegen, das Bundesland hat acht Sternerestaurants. Es kommen Leute her, die Erfahrung in der Sternegastronomie gemacht haben, wie Pierre Nippkow („Ostseelounge“, Strandhotel Fischland, Dierhagen). Das „scheels“ im Romantik Hotel Scheelehof in Stralsund hat letztes Jahr den ersten Stern bekommen. In den Städten gibt es trendige Konzepte und Restaurants mit traditioneller, einfacher, guter Küche, die z.B. einen fantastischen Dorsch mit Senfsauce machen. Und doch ist es immer noch so, dass viele Gäste das der Region nicht zutrauen. Wir haben Gäste bei uns im Restaurant, die zum ersten Mal da sind und nach dem Essen sagen: Wir hätten nicht erwartet, dass es so gut ist.

Es braucht mehr Aufmerksamkeit.
Ja, aber das scheint schwierig zu sein. Wenn man sich anschaut, wo zum Beispiel Foodblogger unterwegs sind: Oberhalb von Hannover passiert da wenig, von Hamburg und dem Schleswig-Holsteiner Raum mal abgesehen. Klar, im Süden oder in NRW gibt es mehr trendigere, peppigere Konzepte, die jetzt in den Fokus rücken. Aber wenn wir es hier schaffen, dass unsere Gäste zufrieden sind, gut essen, ein paar Tage dem Großstadtrummel entfliehen und entspannt am Strand spazieren, dann ist das schon viel wert.

Nochmal zurück zum „Starkoch-Rummel“. Der ist ja medial groß zurzeit. Da gibt es eine Netflix-Serie wie „Chef´s Table“. Anfang November kommt „Im Rausch der Sterne“ mit Bradley Cooper in der Hauptrolle ins Kino…

…ich habe den Trailer schon gesehen…

…und was halten Sie von der ganzen Sache?
Das ist ein Hype, der schon viel früher hätte stattfinden sollen. Aber nicht nur auf die Köche gemünzt, sondern die Art des Essens, das wir unserem Körper zuführen. Es sollte mehr um die Ernährung gehen. Klar, für solche Filme braucht man eine Geschichte drumherum, wie sind die Köche drauf, wie verhalten sie sich in Stresssituationen? Die entspannteste Küche ist die mit einem gutem Team im Rücken, wo alles ruhig läuft. Aber das will vermutlich keiner sehen (lacht).

Würde man unter diesem Gesichtspunkt Ihre Küche sehen wollen?
Kaum. Bei uns ist fast immer alles sehr ruhig und konzentriert. Wir sprechen und schmecken alles vor dem Service ab, dann läuft es. Natürlich wird es auch mal stressig, wenn alle Gäste gleichzeitig kommen und bedient werden wollen. Fehler passieren natürlich, das ist klar. Wenn das Fleisch ein Stück zu durch ist, ja dann wird es halt neu gemacht. Ganz einfach.

Ist es mit einem Stern einfacher oder schwieriger, gute Mitarbeiter zu bekommen?
Das kann ich gar nicht so direkt beantworten. Es ist schön, Mitarbeiter zu bekommen, die schon Erfahrung haben, aber ganz ehrlich: Das ist eher selten. Es hat sich Etliches gewandelt, der Nachwuchs bleibt aus und gleichzeitig entstehen mehr gute Restaurants. Es rücken zu wenige Leute nach, die das Ganze bedienen können.

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Abendstimmung: Grand Hotel Heiligendamm

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Die „Nelson Bar“ im Hotel

 

Und das trifft die Sternegastronomie ebenso wie andere Kategorien?
Das geht der kompletten Gastronomie und Hotellerie so. Im Servicebereich ist es vielleicht noch einen Tick schlimmer als in der Küche.

Was muss getan werden?
Man muss gute Aufbauarbeit leisten. Das ist die Aufgabe von uns Küchenchefs, den Berufsschulen, dem Bundesland, den Medien – wir müssen den Beruf attraktiv gestalten. Seien wir doch mal ehrlich: Weihnachten, Silvester, Pfingsten, Ostern – da gehen alle anderen feiern und wir gehen arbeiten. Wenn ein junger Mensch vor der Wahl steht, entscheidet er sich, könnte ich mir vorstellen, für etwas anderes. Es gibt zum Glück immer noch solche, die Lust haben, diesen Beruf zu erlernen. Aber es muss der neue Weg der Gastronomie sein, mehr auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu achten. Gastronomie funktioniert nicht immer nur mit acht Stunden, aber müssen es immer vierzehn sein? Man muss das eingrenzen, um den Beruf wieder attraktiv zu machen, Freizeitmöglichkeiten schaffen.

Tun Sie das auch?
Wir schließen jetzt, wo es im Gegensatz zum Sommer ruhiger wird, das Gourmet-Restaurant bis Ende April von Sonntag bis Dienstag. Damit können Überstunden abgebaut werden. Die Mitarbeiter, die nicht aus der Region kommen, können mit drei zusammenhängenden freien Tagen auch mal nach Hause fahren. Die sind glücklich. So etwas ist teamfördernd. Wir sehen es daran, dass die Mitarbeiter länger bleiben.

Herr Siewert, vielen Dank.

Mehr Informationen über das „Grand Hotel Heiligendamm“ hier.
Die „Davidoff Tour Gastronomique“ findet auch 2016 wieder statt. Mehr Infos zu den Gourmet-Events der Marke hier.

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Seebrücke Heiligendamm

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Ostsee-Impressionen in Heiligendamm.

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Charmanteste Anreisemöglichkeit: mit der historischen Schmalspurbahn „Molli“ bis vor die Haustür

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