Surfen ganz vorne auf der Specialty-Coffee-Welle: Tres Cabezas Berlin im Portrait

von Jan-Peter Wulf
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Sascha Spittel und Robert Stock bei der Eröffnung des „19grams Chaussee“ 2016. Foto: Tres Cabezas Berlin

Robert Stock und Sascha Spittel betreiben seit 2002 das Kaffee-Business „Tres Cabezas Berlin“ in der Hauptstadt, zu dem drei Cafés, eine eigene Rösterei, ein Kaffeehandel und ein Gastro-Service gehören. Und bald eröffnen sie eine moderne Kaffeerösterei mit Schulungszentrum und Kaffeehaus direkt unter dem Fernsehturm.

„Es war ein ganz schöner Kampf am Anfang“, sagt Sascha Spittel und blickt aus dem Fenster der in einem kleinen Ladengeschäft untergebrachten Rösterei von „Tres Cabezas“. Draußen ist Friedrichshain, ein pulsierender, immer internationaler werdender Stadtteil. „Heute ist Friedrichshain hip, damals war es ein gewagter Schritt, hierhin zu gehen.“

Damals, das war 2002: Im Sommer jenes Jahres eröffnete Spittel mit Robert Stock und einem dritten, mittlerweile ausgeschiedenen Geschäftspartner hier eine klassische Espressobar, das „Tres Cabezas y amigos“.
 Und bei einer Gastronomie blieb es vorerst auch. Zwar schwappte zu jener Zeit die Coffeeshop-Welle aus den USA nach Deutschland rüber, doch an eine Expansion war vorerst nicht zu denken – das Café, optisch opulent mit Stuckdecken und Goldverzierung, lief eher dürftig. „Wir konnten kaum die Miete bezahlen. Im Nachhinein muss man sagen, dass wir eigentlich die falsche Stelle für den Laden gewählt haben“, sagt Robert Stock.

2017 sieht das ganz anders aus: Im direkt angrenzenden Stammcafé hat sich an diesem frühen Nachmittag schon eine Schlange gebildet, man hört Lachen und viel Englisch. Stock: „Die Internationalität, die wir damals schaffen wollten, kommt jetzt zurück zu uns. Wir geben Leuten, die Berlin anziehend finden, eine Plattform für professionelle Kaffeekultur, und sie geben dem Unternehmen Know-how und ihre Erfahrung als Barista oder Röster aus London, aus Australien, aus praktisch der ganzen Welt.“

Rund zwei Dutzend Mitarbeiter hat das Unternehmen „Tres Cabezas Berlin“ heute, einst entstanden aus der Idee von drei Surfer-Boys, ein Wohnzimmer für Reisende in Berlin zu schaffen. Nach der Wende zog es die im Osten geborenen und aufgewachsenen Freunde in die weite Welt. Reisen, Länder entdecken, Wellenreiten gehen. Besonders ans Herz wuchs ihnen Costa Rica. Irgendwann wurde das Geld knapp.

Der Plan entstand, einen Coffeeshop in Berlin zu eröffnen – ausgezeichnete Bohnen-Qualitäten hatte man vor Ort in Mittelamerika kennen und schätzen gelernt, die brachte man mit. „Der Kaffee war gut, die Zahlen waren schlecht“, erklärt Stock. Zu wenig Frequenz für die hohen eigenen Ansprüche ans Produkt. „Wir standen vor der Wahl: neuen Standort suchen oder außerhalb des eigenen Cafés mehr Kaffee verkaufen. Wir haben uns für Option zwei entschieden.“

Sourcen bleibt Chefsache

So wurde aus „Tres Cabezas Berlin“ ein Kaffee-Import-Unternehmen mit angeschlossener Rösterei und Gastroservice (Maschinen- und Zubehörverkauf, Leasing, Wartung). Zehn Kaffees für die Produktion von Röstungen für die Gastronomie und den Lebensmittel-Einzelhandel bietet man an, darunter die Hausklassiker „BerlinKaffee“, „Pura Vida“ und „Wild At Heart“.

Diese machen rund 90 Prozent des Röstungs-Volumens von „Tres Cabezas Berlin“ aus, er wird großenteils über einen externen Lohnröster abgewickelt, der Röstware und Rohware erhält. Die geschäftliche Beziehung zum Lohnröster beschreiben Stock und Spittel von Tag eins als äußerst professionell und freundschaftlich zugleich. Auch der Bezug ist ausgelagert und wird zum Großteil von einem Kaffeeimporteur ihres Vertrauens abgewickelt. „Ohne dessen Unterstützung wäre unser Wachstum in dieser Art wohl nicht möglich gewesen“ so Stock.

Ab Anfang der Zehner-Jahre hat man sich zudem eine große Kompetenz im Bereich der Single Origins aufgebaut, 15 saisonal wechselnde Einzelkaffees bietet „Tres Cabezas“ heute an. Das Sourcen und der Draht zum Produzenten ist und bleibt Chefsache. „Das ist natürlich einfach ideal für uns. Wir können unsere Leidenschaft für das Reisen mit dem Beruflichen verbinden“, sagt Spittel, und sein Kompagnon, soeben aus Costa Rica zurückgekehrt, stimmt nickend zu.

Auf der ganzen Welt sind die beiden unterwegs: Rohkaffe, mehrheitlich in Bio-Qualität und fair gehandelt, bezieht „Tres Cabezas Berlin“ neben Costa Rica und deren unmittelbaren zentralamerikanischen Nachbarn (Panama, Honduras und El Salvador) auch aus Südamerika (Brasilien, Kolumbien, Peru), Asien (Indien, Indonesien), Afrika (Äthiopien, Kenia, Burundi und Ruanda) und Ozeanien (Papua-Neuguinea).

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Ort für Specialty-Coffee-Kultur: „19grams Chaussee“. Foto: Tres Cabezas Berlin

Diese Specialty Coffees werden ausschließlich über den Online-Shop und im eigenen stationären Geschäft verkauft, das mittlerweile aus drei Outlets besteht, denn 2013 eröffneten Stock und Spittel ein „19grams“-Café in der Schlesischen Straße in Kreuzberg und 2016 ein weiteres in der Chausseestraße in Mitte.

Ein Verkauf dieser „Speciality Coffees“ im klassischen Handel und in anderen Gastronomien? Stock und Spittel schütteln den Kopf: Viel zu erklärungsbedürftig, viel zu kompliziert – und natürlich auch ziemlich hochpreisig. „In Online-Shops nimmt sich ein Kunde die Zeit dafür, sich über das Produkt zu informieren und sich alles durchzulesen“, erklärt Sascha Spittel, und das Team in den eigenen Betrieben sei in der Lage, die Produkteigenschaften zu vermitteln – im externen Gastro-Geschäft, vom stationären Handel ganz zu schweigen, habe man keinen Einfluss darauf.

Da ist die Gefahr zu groß, dass edle Qualitäten wie der „Finca La Chumeca“, ein Natural Coffee, der auf 2.000 Metern Höhe in Tarrazu (Costa Rica) reift, nach Mandarine, dunklen Trauben und reifen Beerens schmeckt und ein cremiges Kakao-Finish hat, aufgrund seines gerechtfertigten, aber eben erklärungsbedürftigen Preises im Regal stehen bleibt wie Blei. Zumal größter Wert auf den Faktor Frische gelegt und jede Packung mit Röstungsdatum versehen wird.

Vom Röst-Wohnzimmer ins „Kaffee-Kompetenzzentrum“

Diese Limitierung im Specialty-Bereich wird man bald vielleicht überwinden können, denn Großes ist in Vorbereitung: Am Alexanderplatz, direkt unter dem Fernsehturm, eröffnet man bald ein modernes „Kaffee-Kompetenzzentrum“ mit Rösterei, Showroom, Verkaufsfläche, größerem Lager sowie Schulungsmöglichkeiten. Und natürlich einer Gastronomie, die neben Kaffees und Gebäck – eine eigene Bäckerin hat man neuerdings im Team – auch herzhafte Speisen und Craft-Bier bieten wird.

„Wir brauchen Platz. Und mit Mitte Vierzig sind wir groß genug, um uns anders präsentieren zu können“, sagt Robert Stock lachend. Der neue Ort solle alle Menschen ansprechen: Kaffee-Nerds, Berliner, Touristen. Dafür werde man Kaffee in verschiedenen Qualitäten für verschiedene Budgets und Interessen anbieten – eigentlich wie bisher, nur eben mit mehr Volumen und mehr Impact. Vor Ort wird man auf einem Probat „UG 22“ aus Gußstahl rösten, der dann den bisherigen 12er „Probatone“ ersetzen wird. Auch das regionale Gastronomen-Netzwerk (das aktuell immerhin schon aus 250 Kunden besteht) will man in diesem Zuge ausweiten.

Und was den bislang beschränkten Verkauf von Specialty Coffee in externen Gastronomien angeht: Es sei nun, finden die beiden, der richtige Zeitpunkt da, um das Thema zu forcieren. „Dem ausländischen Einfluss in der Berliner Kaffeeszene ist es zu verdanken, dass Gastronomen jetzt die Bereitschaft entwickeln, diese Qualitäten zu kaufen“, hat Stock beobachtet. Sein Geschäftspartner fügt hinzu: „Wer hochwertigen Kaffee herstellt, hat ein anderes Mindset. Er geht anders mit dem Land und mit seinen Mitarbeitern um. Die Qualität ist das Bindeglied zwischen Produzent, Röster und Kunde und somit die nachhaltigste Art des Handels.“

Mehr Informationen: 
www.trescabezas.de

Überarbeitete Fassung des zuerst in Barista Ausgabe 2017 erschienenen Beitrags.
Weiterlesen: Robert Stock von Tres Cabezas Berlin zu Gast beim Food Entrepreneurs Club  

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