Der Bär aus Kreuzberg

von Jan-Peter Wulf

kreuzbaer - medien-tools, getraenke, gastronomie, nomyblog Der Bär aus Kreuzberg

Kreuzbär ist ein Getränke-Newcomer, den ich im zum ersten Mal auf der Next Organic probiert habe. Geschmacklich hat er mich gleich überzeugt: Eine Fassbrause nach typisch Berliner Art, mit würzigen Kräuternoten. Es ist nicht so süß und hat einen kräftigen Malzgeschmack. Die Bärentatze schlägt – eine Besonderung gegenüber anderen Fassbrausen- mit einer ordentlichen Portion Koffein zu. Das macht das Getränk auch zu einer spannenden Alternative zu Mategetränken und herkömmlichen Energydrinks.

„Wir verwenden Malz- und Süßholzwurzelextrakt und im Gegensatz zu anderen Fassbrausen auch echtes Zitronensaftkonzentrat und braunen Rohrzucker“, erklärt Julia Akra, die für das Getränke-Startup die Kommunikation betreibt. Für Kids gibt es das koffeinfreie „Kreuzbärchen“ in der PET-Flasche. Die erwachsene Version kommt in einer kultig-braunen Steinie-Flasche (auch „Maurerhumpen“ genannt) daher, wie man sie z.B. von Astra kennt. Damit niemand auf die Idee kommt, es handle sich um Bier, steht „Fassbrause“ plakativ auf dem minimalistischen weißen Etikett, das zudem ein Berliner Bär ziert. Das Packaging erschien mir erst reichlich banal. Doch mittlerweile finde ich, dass es sehr sinnvoll ist: Es signalisiert den lokalen Bezug und es hat auch einen Touristenappeal. Ähnlich wie diverse Berlin-Devotionalien, die man rund um die örtlichen Sights kaufen kann, ist es klar, deutlich und auch für in- und ausländische Gäste schnell verständlich.

Das könnte den Abverkauf zusätzlich fördern – als typisches Berlin-Produkt, das man mal probiert haben muss oder das man als Souvenir mitbringt. Womöglich ist sogar ein Verkauf außerhalb der Stadt denkbar. Ein Düsseldorfer Imbiss, der Currywurst nach Berliner Art verkauft, hat das Produkt schon aufgenommen. Warum sollte ein Getränk wie dieses, mit seinem Kreuzberger Spirit, nicht in ähnlichen Quartieren wie dem Bremer Viertel oder der Hamburger Schanze Akzeptanz finden?

Womit wir beim Thema Vertrieb wären. Kreuzbär ist putzig und schmeckt gut. Aber ist es wirklich marktfähig? Wer die Regularien im Handel und im Fachgroßhandel kennt, der weiß, wie schwierig und wie teuer es ist, ein neues Produkt in die Regale zu heben. „Die Listungsgebühren, die normalerweise aufgerufen werden, hätten die Erfinder von Kreuzbär nicht aufbringen können. Die erste Produktion war schon ein Heidenaufwand“, erklärt mir Julia, die als ehemalige Mitarbeiterin eines szenigen Getränkeherstellers Branchenerfahrung hat.

Was den Gründern hilft: Hinter Kreuzbär stehen vier Freunde, die sonst mit der Getränkebranche weniger zu tun haben, aber Lust auf ein neues Produkt hatten. Anfangs beklebten sie die Flaschen noch per Prittstift selbst mit den Etiketten. Startup- und Garagenfirmen-Esprit. Doch während es heute relativ leicht ist, eine App oder ein anderes digitales Geschäft zu gründen: Ein FMCG-Produkt wie ein Getränk ist eine ganz andere Geschichte.  

oberbaumbrücke - medien-tools, getraenke, gastronomie, nomyblog Der Bär aus Kreuzberg

Doch der Bär darf jetzt sein erstes Freudentänzchen einlegen: Der Verantwortliche einer großen Lebensmittel-Einzelhandelskette konnte persönlich von dem Produkt überzeugt werden, seit Mitte Juli ist „Kreuzbär“ im Sortiment „aus der Region“ in allen Berliner Filialen verfügbar. Zusätzlich erhielt man, auch das ist viel wert, eine Zweitplatzierung – mit selbstgebastelten, stadtteilspezifischen Slogans auf den Trays wie „schmeckt auch in Mitte“ oder „schmeckt auch am Ku´damm“.

Damit trat die erste Veränderung ein: Am bisherigen Abfüller, dem Brauhaus am Südstern, kann das Team man nicht festhalten. Dort würde man nicht genug Ausstoß für die geforderten Handelsmengen produzieren. Ein neuer Bottler sorgt jetzt für mehr Drehung. Und wie soll es weitergehen mit dem Kreuzbär? Da sei man noch in der Planung. Für ein eigenes Vertriebsteam fehlt bislang das Kapital, zunächst einmal wolle man weiter das persönliche Netzwerk aktivieren, erklärt Julia mir. Das Thema GFGH und somit Gastronomie habe man auf dem Zettel, doch auch hier werden generell hohe Listungsgebühren fällig, die aktuell einfach nicht zu stemmen sind. 

Eine Hürde, vor der viele Getränkestartups stehen, hinter denen weder ein großer Investor steht noch sich ein Industrieunternehmen mehr oder minder versteckt.

Wie könnte es anders laufen? Zum Beispiel könnte ein Getränkenewcomer mehreren Gastronomen sein Produkt vorstellen. Wenn eine gewisse Anzahl Interesse bekundet, das Produkt aufzunehmen, dann könnte der Hersteller mit dieser Objektliste zum GFGH gehen, der die Betriebe beliefert, und dieser listet das Produkt – ohne oder gegen nur eine geringe Listungsgebühr ein. Diesen Weg sind meines Wissens nach schon einige Getränkeneulinge gegangen. Vielleicht lassen sich sogar Vorkaufs- oder Exklusivitätsrechte zwischen Hersteller und GFGHs vereinbaren, sodass deren Betriebe für einen bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Gebiet vor allen anderen auf das Produkt zugreifen können?

Ich denke, dass gerade in urbanen Zentren, insbesondere in Berlin, aber auch in Hamburg, NRW-Städten oder Frankfurt auch das Thema Kiosk eine wichtige Rolle spielt. Schaut man sich das „Portfolio“ mancher Kreuzberger Spätis an, so ist dort die „szenige“ Getränkeauswahl oft höher als in so mancher hippen Gastronomie. Wenn Leute mit einem coolen neuen Getränk durch die Gegend laufen, schafft das womöglich mehr „Visibility“ für die Marke als die Präsenz in angesagten Gastromomieobjekten. Und das wiederum Begehrlichkeit (Stichwort „Brand Call“) in der Gastronomie und im klassischen Handel, das Produkt auch zu bekommen. Warum nicht also frequentierte Spätis als „Leuchttürme“ für das neue Produkt nutzen? Es gibt sicher noch viele andere Ansätze. Wo keine großen Budgets vorhanden sind, ist Cleverness gefragt – ganz nach dem Motto des Startup-Gurus Günter Faltin: Kopf schlägt Kapital.ir?t=nomyblog 21&l=as2&o=3&a=3446415645 - medien-tools, getraenke, gastronomie, nomyblog Der Bär aus Kreuzberg

Was ist wichtig, damit ein kleines Produkt wie Kreuzbär groß werden kann? Guter Geschmack? Haken dran. Hohe Qualität? Haken dran. Aber mehr noch: „Die Sympathie der Marke spielt eine große Rolle“, erklärt Julia Akra, „und auch das Thema Regionalität oder, wie bei uns, Lokalität. Das ist unser Türöffner.“

Das klingt plausibel. Ein Produkt mit Bezug zur Gegend, der Stadt oder wie in diesem Fall, hyperlokal, gar zum Kiez – das ist ein Ansatz für Innovationen, dem man in der Getränkewelt zurzeit immer häufiger begegnet. Ob eine Limonade mit regionalen Zutaten aus Leipzig, ein Wasser aus München oder ein Hamburger Cider mit Äpfeln aus dem Alten Land: Zurzeit tauchen eine Menge lokaler Drinks auf. Bleibt abzuwarten, welche dieser Produkte sich nicht nur halten, sondern auch außerhalb der eigenen Stadt- und Regionalgrenzen punkten können. In jedem Fall sind sie eine spannende Alternative für Endkonsumenten, Gastronomen, Händler und Fachhändler. 

www.kreuzbaer.de 

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.