Auch im Berlin des Jahres 2014 gibt es sie noch, die Freiflächen mitten in der Stadt, in denen wie in der Nachwendezeit alles möglich zu sein scheint – man muss nur genauer hinschauen.
In diesem Falle in die Charlottenstraße, nur wenige Meter vom „Check Point Charlie“ entfernt. Gefühlt ist man hier mitten im Nichts, die Straße wirkt wie ein Gewerbegebiet am Rande der Stadt, dabei ist man mittendrin. „Als Wegbeschreibung sage ich immer: Gegenüber vom Arbeitsamt neben dem Lidl“, erklärt Aaron Plantener schmunzelnd. Auf über 1.000 Quadratmetern sitzen hier Entwickler vor ihren Laptops zwischen Europaletten, Grünpflanzen und leergetrunkenen Mateteeflaschen.
Wir dürfen uns umschauen und platzen in einen „Hackathon“ hinein, eine Art LAN-Party für Produktentwicklung. Es gibt Rückzugsboxen fürs Skypen, das nannte man früher Telefonzelle. Das Flipchart ist eine umgebaute Europalette mit Mehrfachstecker-Anschluss. Die Meetingräume sind nach Berliner Technoclubs wie about:blank oder Suicide Circus benannt, mal minimalistisch mit Bauholz verkleidet, mal üppig mit Kunstrasen ausgefüllt. In einem solchen bunten Raum führt gerade jemand ein Telefonat, im Hemd und mit Schlips. High Potentials im Kinderparadies.
Wie kam Plantener zu all dem? Als Praktikant und Aushilfskoch beim „Startupbootcamp“, einem Startup-Accelerator, der sich in dem großen Gebäude eingemietet hatte, habe er erfahren, dass die Fläche vorne noch zu haben war. „Ich habe einen Businessplan geschrieben, die richtigen Leute kennen gelernt, Geld aufgetrieben und losgelegt“, erklärt er und zwirbelt dabei seinen Schnurrbart. Er sieht aus wie jemand, der eine Vintage-Bar betreibt, und das tut er ja im Grunde auch – aber eben nicht nur: Sein „Mischgewerbe“ besteht aus dem beschriebenen hippen Coworking-Space Rainmaking Loft für Tech-Startups (ein Pendant dazu gibt es in London), der davor platzierten Gastronomie Le Labo (120 qm, 60 Plätze) und der Durchführung von Firmenveranstaltungen. Im Space vermietet man die insgesamt acht Meetingräume an große Unternehmen zur hohen „corporate rate“, Umweltgruppen müssen hingegen nur eine „cleaning fee“ entrichten. „Wir achten darauf, ein cooles Community-Life herzustellen“, sagt Plantener. Das klingt doch sehr nach Startup-Szene.
Wer will, darf im Le Labo jederzeit arbeiten. Hier gibt es mittags frische Leckereien wie Salate oder Pastrami-Sandwiches, abends – zurzeit noch in Vorbereitung – wird Planteners Team bald in der wirklich schönen Location Cocktails nach alten Mixology-Rezepten und Craft Beer servieren. Auch eigene Liköre und ein Trüffel-Gin sind in Planung. Bisweilen soll es auch dampfen: 200 Grad minus kalter flüssiger Stickstoff wird für die Inszenierung der Drinks verwendet. Damit müsse man aber schon sehr aufpassen, erklärt Plantener. Ein Eventprogramm ist auch geplant: Im Stile der Varieté-Shows aus dem Berliner Wintergarten sollen Gewichtheber, die Frau mit Schnurrbart und andere schräge Gestalten der guten alten Zeit hier das Publikum verzücken.
„Ich mag es, Altes mit Neuem verbinden“, erklärt der Betreiber, der Orderbird als modernes Kassensystem für die Gastronomie verwendet und auch das mobile Bezahlen mit PayPal akzeptiert. Man erziele schon gute Umsätze damit, speziell bei Events sei es praktisch für das ausrichtende Unternehmen, wenn der gesamte Tab mit PayPal bezahlt werden könne. „Ich bin offen für jedes technologische Feature, wenn es in mein Kassensystem hineinpasst“, so Plantener. Demnächst plane man auch die Zahlung mit der Geek-Währung Bitcoin. Das überrascht uns nicht. Ein wunderbar nerdiges Tausendsassa-Konzept, das sich hier platziert hat.
Le Labo / Rainmaking Loft
Charlottenstraße 2
10969 Berlin