Die geballte Ladung Brotkultur: Stevan Paul und Daniela Haug tragen in einem dicken Buch Street-Food-Rezepte zusammen und stellen Menschen vor, die diese leckeren Dinge produzieren.
De-Luxe-Gyros, Chili-Burger, Bánh Mì, Hot Dog, Brotzeit-Brezel, Submarine-Sandwich, Pastrami, Lahmacun und, und, und: Auf die Hand nimmt sich die bunte Welt der schnellen Snacks mit Brot vor. Ein knapp 300 Seiten starkes Buch, das nicht nur ein großes Rezepte-Kompendium ist, sondern auch einige der Menschen portraitiert, die hinter dem aktuellen Street Food-Trend mit seinen vielfältigen Produkten stehen, zum Beispiel Maria Hugger von Maria Arepas, Tom Klemann von Bao Kitchen, Tobias Bürger von Big Stuff Smoked BBQ (siehe Foto unten, im Gespräch mit Stevan Paul) oder Orhan Tancgil, dem Macher des famosen Blogs Koch Dich Türkisch.
Street Food: Ein Trend, der nicht nur in Berlin viele Gäste auf Food-Events (deren Zahl ständig zunimmt) satt und glücklich macht, sondern längst auch in anderen Städten Fuß gefasst hat. Wir haben mit Stevan Paul gesprochen, der zusammen mit Fotografin Daniela Haug dieses umfangreiche Werk verfasst hat.
Stevan, im Infotext zum Buch steht „Street Food für zu Hause“ – warum ist das kein Widerspruch? Man begegnet Street Food ja vor allem außer Haus.
Die Arbeit zu „Auf die Hand“ begann auch mit der Frage: Wo ist denn der nächste Street Food-Market oder der Foodtruck, wenn man mal einen braucht? (lacht). Die Street-Food-Kultur ist im deutschsprachigen Raum noch ein sehr zartes Pflänzchen, also haben wir Street Food von der Straße in die heimische Küche geholt, denn das Essen auf die Hand ist extrem alltags- und partytauglich, schmeckt naturgemäß auch unterwegs und zwischendurch.
Über welchen Zeitraum hinweg lief die Produktion? Es war sicher abstimmungsintensiv und kalorienreich, die ganzen Portraits zu machen, oder?
Ein Dreivierteljahr haben Fotografin Daniela Haug aus Berlin und ich am Buch gearbeitet, haben Garküchen und Foodtrucks besucht und in Bild und Wort 15 Menschen mit ebenso vielen Wurzeln in den unterschiedlichsten Ländern portraitiert, die Street Food-Köstlichkeiten ihrer Heimat probiert und ihre Geschichten und Rezepte notiert. Wir haben darüber völlig vergessen, Kalorien zu zählen! Ernsthaft: Das ist ja das Tolle, das Fast Food von heute ist Good Food: gesund, abwechslungsreich, global gedacht, regional gemacht. Genuss ohne Reue.
Die Welle rollt, seit die Berliner „Markthalle IX“ im April 2013 ihren donnerstäglichen Gastromarkt gestartet hat. Jetzt gibt es im ganzen Land ähnliche Events.
In der „Markthalle IX“ haben wir auch viele unserer Beiträger gefunden und ich freue mich, dass es jetzt langsam auch in Städten wie Köln und Hamburg losgeht mit Street-Food-Markets, im Fränkischen boomt die Foodtruck-Szene.
Brauchen die Deutschen immer erst einen catchigen Begriff wie „Street Food“, damit sie „anbeißen“ und dabei zugleich erkennen, dass das heimische Essen auf die Hand viel mehr ist als nur Currywurst? Anders gefragt: Warum (erst) jetzt?
Ich glaube nicht, dass es am Begriff „Street Food“ liegt, dass das praktische, gute Essen aus der Hand jetzt hierzulande so populär wird. Trends entstehen immer aus einer gesellschaftlichen Entwicklung heraus und hier kommen mehrere Dinge zusammen: In unserer beschleunigten Zeit muss es oft schnell gehen mit dem Essen, gleichzeitig sind die Ansprüche an die Ernährung selbst gestiegen: Auch wenn wir wenig Zeit haben, wollen wir etwas Gutes essen, genießen und uns verwöhnen.
Warum habt ihr euch auf Brot als Basis für alle Rezepte eingeschränkt?
Ich empfinde das keineswegs als Einschränkung, denn auch das neue Interesse der Deutschen an gutem Brot war Geburtshelfer für „Auf die Hand“. In den vergangenen zwei Jahren erschienen unzählige Brotbackbücher und ich dachte irgendwann: Was ist denn mit Belag, da muss doch was drauf! (lacht) Auf die Idee kamen schon die alten Römer und überall wo Besteck fehlte oder unpraktisch war, gab es immer schon was zwischen zwei Brotscheiben, auf die Hand. Das ist im Grunde der Ursprung von Street Food und es war spannend, Rezepte aus aller Welt fürs Buch zusammen zu tragen, von der bayerischen Ochsensemmel bis zum zum vietnamesischen Bánh Mì.
Die Rezepte sind auch für Gastronomen eine Inspiration. Ist die neue Brotkultur und Street Food im Allgemeinen auch etwas für klassische Gastronomie? Wenn ja, wie nähert sie sich dieser Snackwelt Deiner Meinung nach am besten?
Unbedingt. Es gibt ein Leben jenseits von Canapé und Clubsandwich, obwohl wir natürlich auch diesen Klassiker in einer köstlichen, französisch-inspirierten Version im Buch verewigt haben. Viele Street Food-Klassiker sind geeignet, das Angebot an Snack-, Terrassen- und Bar Food-Karten attraktiver zu gestalten, das betrifft ebenso den Roomservice-Bereich. Auch für Partys und Events ist ein Angebot an Street-Food-Happen nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal, denke ich. Street Food ist zudem ungemein praktisch, gut vorzubereiten, einfach gemacht und unaufwendig serviert. Und wer die kleinen Köstlichkeiten in Handarbeit herstellt, die Brötchen, die Saucen, etc., und das auch kommuniziert, der schärft zudem das Profil seines Betriebes. Street Food dürfte zeitnah auch für die klassische Gastronomie immer interessanter werden.
Vielen Dank, Stevan!
Der Blog zum Buch: http://aufdiehand.net
Der Trailer zum Buch:
Auf die Hand – Sandwiches, Burger & Toasts, Fingerfood & Abendbrote
272 Seiten, rund 200 Abbildungen
erschienen im Brandstätter Verlag
Preis: 34,90 Euro
Fotos: Daniela Haug / Brandstätter Verlag