Buchrezension: Visual Feast

von Inés Lauber

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Der Gestalten Verlag ist bekannt dafür, großformatige „Bilderbücher für Erwachsene“, sogenannte „Coffeetable Books“, zu design- und kunstrelevanten Themen zu publizieren. In der Regel hat Gestalten hier auch ganz gut die Nase vorn, wenn es darum geht, neue Trends in gedruckter Form zu manifestieren.

eine Rezension von Inés Lauber

Gerade in Zeiten der Digitalisierung und der Schnelllebigkeit hat Gedrucktes einen besonderen Stellenwert eingenommen. Entstehen neue Trends doch meist aus kleinen Nischen-Bewegungen und Strömungen heraus, die sich untergründig und szenig – durch die Reichweite des Internets aber auch extrem schnell – verbreiten, sind sie oft aber nicht recht greifbar für das Verständnis der Masse.

Sobald etwas gedruckt wurde, bekommt es eine andere Relevanz. Ganz besonders stark kann man diesen Trend beim Thema Food in den letzten Jahren beobachten: Essen als neues Lifestyle Symbol und Gegenstand der Gestaltung. Zunächst eine hippe Bewegung weniger Vorreiter, inzwischen ein in den Medien viel diskutiertes Thema.

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Die surrealen Fotografien von Michael Crichton und Leigh Macmillian sind alles andere als Schnappschüsse: die Fotografen bedienen sich modernster Fototechnik. Hier muss jedes Detail stimmen.

Nicht, dass es komplett neu wäre Essen zu inszenieren und abzubilden. Schon zu Zeiten der alten Meister wurden Stillleben und Tischszenen in aufwändigen Ölgemälden zu angesehenen Kunstwerken und Louis XIV liebte es, verschwenderisch inszenierte Dinner-Partys, die Schauspiel und Gesamterlebnis zugleich waren, auszurichten.

Denkt man an die Patisserie oder kunstvoll angerichtete Teller in einem guten Restaurant, so sind hier nicht nur Kochhandwerker, sondern begabte Gestalter am Werk, die aus Essbarem Kunstwerke entstehen lassen. Und das eben nicht erst seit gestern. Denn essen – was, wie und wo – ist tatsächlich schon immer ein Status Symbol gewesen. Aber Statussymbole unterliegen Moden, und Moden wiederum sind an einen bestimmten Zeitgeist gebunden. Kunst und gestalterisches Handwerk bilden Zustände und Stimmungen einer bestimmten Generation ab.

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Im Stil der alten Meister, doch mit den Mitteln der Moderne: Bohman+Sjöstrand inszenieren ein opulentes Stillleben wie aus dem 17. Jahrhundert – mit Champagnerfaschen und Aufschnittmaschine.

Visual Feast ist ein Kompendium, das sich dem Hunger einer Gesellschaft widmet, die nie Hunger litt. Es ist interessant zu beobachten, wie sich unser Verhältnis zu Nahrung und Umgang mit Lebensmitteln in einer Zeit des Überflusses gewandelt hat. Der Titel ist Programm: „Visual Feast“ zelebriert Lebensmittel als Hauptdarsteller aufwändiger Inszenierungen einer modernen Zeit: Tischszenen werden zu Kunstwerken und so mancher Burger zum Pornstar.

Gearbeitet wird mit den Mitteln der heutigen Zeit und Fotografie ersetzt den Pinsel, Computertechnik verhilft zu teilweise surrealen Eindrücken. „Food Staging“, die Kunst, Lebensmittel zu inszenieren, zu verändern oder als Mode Accessoire einzusetzen, Nahrung jenseits vom Kochtopf Beachtung zu schenken und als sexy und anziehend oder auch als provokant und abstossend wahrzunehmen – diesen Trend, oder auch den Hunger nach Emotionen, greift „Visual Feast“ auf in einem herrlich bebilderten Buch über Essen, das Kunst ist und in Bildern, die Geschichten erzählen.

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Maurizio Di Iorio ist Food-Stylist und Fotograf. Er versteht es, die alltäglichsten Situationen und Objekte durch extreme Farbigkeit und Inszenierung zu schillernden Symbolen einer zeitgenössischen Popkultur zu erheben.

Da Inspiration nicht selten aus der Kunst kommt und man sich immer an einem höher gesteckten Ziel oder einer extremen Idee orientieren und zu eigenen kreativen Handlungen anstiften lassen kann, ist das Buch sicherlich nicht nur für Kunst- und Design-Begeisterte geschaffen, sondern kann durchaus auch als eine Inspirationsquelle von motivierten Köchen und Gastronomen genutzt werden. 

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Visual Feast: Contemporary Food Photography and Styling

Hardcover, farbig 240 Seiten, englischsprachig
Preis: 39,90 Euro 
erschienen bei Gestalten

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