Der Döner: So beliebt, so verkannt. Allein in Berlin sollen täglich rund 400.000 Stück verputzt werden, pro Sekunde sollen es sieben Stück im ganzen Land sein. Doch über den schnellen Snack hat er es trotz einem halben Jahrhundert Präsenz hierzulande und einer rund 150 Jahre zurückgehenden Geschichte bislang nicht wirklich gebracht – dabei hat der Mix aus Brot, Fleisch (bzw. vegetarischer Variante) und Gemüse, eigentlich das Zeug dazu.
Dachte sich auch Cihan Anadologlu aus München. Der renommierte Bartender, der das edle „Circle“ am Lenbachplatz eröffnete und in normalen Zeiten für Consultings, Caterings und Co. durch die Welt reist, hat mit „Einmal mit Alles“ eines der ersten Kochbücher über den Döner geschrieben.
Cihan, wie lange hast du die Idee zu diesem Buch schon mit dir „herumgetragen“, was gab dir letztlich den Anstoß, es zu schreiben?
Ich liebe Döner und esse ihn sehr gerne. Die Idee für das Buch war schon lange da, weil ich nie etwas über den Döner selber gelesen habe, sondern nur über die türkische bzw. anatolische Küche. Als ich die Bar Bibel fertig hatte, wusste ich: Ich will ein Dönerbuch schreiben.
Du machst es im historischen Teil deines Buchs deutlich: Der Döner mag eine Berliner „Erfindung“ sein, wobei es sich nicht auf exakt einen Imbiss zurückverfolgen lässt, aber seine Geschichte reicht wesentlich weiter zurück – bis ins mittlere 19. Jahrhundert. Du nennst den Meisterkoch Hamdi aus Kastamonu, der möglicherweise als Erster einen Fleischspieß aufgezogen hat. Wie bist du in der Recherche vorgegangen?
Das war nicht sehr einfach, ich habe unzählige Bücher und Zeitungsartikel durchgelesen, in denen das Wort oder das Thema Döner vorkam. Da muss man schon gut filtern, was stimmen könnte und was nicht, was Sinn ergibt und zusammenpasst. Ich habe einige Food-Historiker in der Türkei getroffen, in Istanbul, Izmir und Bursa. Das Wissen musste erst einmal aufgearbeitet werden, um die Parallelen von damals und heute zu verstehen. Da musste ebenso einiges auch erstmal durch einen Filter, sonst hätte ich alleine ein ganzes Buch nur über die Geschichte schreiben können.
Die Kulturwissenschaftlerin Maren Möhring schreibt in ihrem Buch Fremdes Essen: „… der Dönerkebab (ist) durch eine Vielzahl von Transfers und Rücktransfers entstanden, die zwischen verschiedenen Orten in der Türkei und (zunächst) Berlin stattfanden“. Wie siehst du das, ist der Döner eine kulturelle Brücke, auch heute noch?
Ja, ein sehr interessantes Buch. Ich habe meines genau aus diesem Grund geschrieben, ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, meine Wurzeln liegen allerdings in der Türkei – darauf deutet mein Name und mein Aussehen natürlich auch hin. Wie kann man besser einen kulturelle Brücke schaffen als mit Essen, fragte ich mich und die Antwort sollte mir recht geben – es ist das Essen, das Kulturen und Länder und vor allem Menschen vereint.
So richtig spannend ist Döner – meine Beobachtung und Meinung – ja erst in den letzten knapp zehn Jahren geworden. Man denke an Mustafas Gemüse Kebap mit seinem beispiellosen Hype oder moderne Konzepte wie Kebap With Attitude. Obwohl kaum ein Döner-Betrieb über mehrere Outlets verfügt (Ausnahmen bestätigen die Regel), erscheint mir das Produkt insgesamt immer noch sehr standardisiert. Es gibt bzw. gab ja auch relative wenige Lieferanten, richtig? Fehlt es da an Mut bzw. Raffinesse oder muss man einfach die Geheimtipps kennen?
Ich bin immer noch davon überzeugt: Der Döner wird der neue Burger. Auch beim Burger hat es sehr lange gedauert, bis sich die Ersten an verschiedene Rezepte und Ausführungen herangetraut haben und siehe da, der Erfolg hat ihnen Recht gegeben. Der Burger–„Trend“ wird niemals vorüber gehen, doch die Menschen brauchen etwas Neues, immer wieder mal. Erst dachte man, dass der Hot Dog diese neue Rolle übernehmen wird. So weit ist es nicht oder noch nicht gekommen, deshalb schreibe ich dem Döner diese Rolle zu. Man kann natürlich mit dem was man hat, tolle Rezepte kreieren, dafür braucht es keine neuen Lieferanten. Ich habe einiges in Planung für einen einzigartigen Döner Laden – eine Döner-Revolution.
Du zeigst, wie vielfältig Döner Kebap sein kann, mit vielen Rezepten, inklusive für Saucen, Beilagen und sogar Ayran. Warum sollte man sich seinen Döner selbst zubereiten, statt ihn sich am Imbiss zu holen?
Das eine schließt das andere nicht aus. Natürlich kann man sich seinen Döner beim Lieblingsladen holen und sollte es auch. Aber warum mal nicht einfach einen selbst zu Hause machen? Vor allem macht es am meisten Spaß, wenn man Freunde einlädt – wenn die Umstände es wieder zulassen –, sich einen Spieß holt und das gemeinsam macht.
Kannst du dir gar vorstellen, dass einige der Rezepte, die du präsentierst, auch etwas für die Gastronomie sein könnten? Wenn ja, welche?
Man kann alle Rezepte für die Gastronomie nehmen, vielleicht eignen sich ein paar besser durch Punkte wie Haltbarkeit oder Zubereitungszeit.
Nenn bitte drei Lieblingsdöner aus dem Buch: Erstens einen als Mittagssnack, dann einen als Start in den Abend und einen nach einer langen Nacht mit vielleicht einem halben Drink zu viel, Letzteres ist ja eine klassische Döner-Verzehrsituation.
Als Mittagssnack Nummer vier, „Ahh Istanbul“ mit Hühnchen, Ananas, Walnusskernen und Thai-Chili-Sauce. Als Start in den Abend einen „Haydi Bastir“, einen Dürüm-Döner mit Birne, Zucchini, Endiviensalat und Radieschen und wenn ich aus einem Tanz-Etablissement heraus steuere Nummer 29, „Nachts um 4 Uhr“ mit Pute, Garnelen, Pekannusskernen und Chili-Sauce.
Du bist Bartender, berätst Bars und Gastronomien und bist weltweit unterwegs. Wegen Corona erleben wir gerade auch die größte Bar-Krise aller Zeiten, viele Betriebe sind immer noch geschlossen. Wie gehst du damit um, als Gastgeber und als Unternehmer?
Wir brauchen hier definitiv mehr Unterstützung. Tim Mälzer hat das neulich sehr gut formuliert und kreative Denkanstöße gegeben, wie man das am besten machen kann. Die Politik darf und sollte uns alle in der größten Branche weltweit – sie hat allein in Deutschland mehr als zwei Millionen Beschäftige – nicht vergessen und in nächster Zeit mehr Taten folgen lassen. Es ist noch nicht zu spät, könnte es aber bald für viele Gastronomen sein.
Wie siehst du die Zukunft der Bar in einer Post-Corona-Welt? Worauf wird es ankommen, damit Gäste wieder gerne und mit gutem Gefühl in eine Bar gehen?
Keine leicht zu beantwortende Frage. Unsere Gesundheit ist das Wichtigste und ich denke, dass wir erst dann wieder mit gutem Gefühl in eine Bar gehen, am Tresen sitzen und uns mit vielen Menschen unterhalten können, wenn wir mehr über das Virus wissen, einen Impfstoff haben oder den Mindestabstand einhalten. Dass Alkohol die Hemmschwelle senkt, ist Unsinn, finde ich, und wenn sich hier jemand nicht an die Regeln hält oder sich nicht zusammenreißen kann, dann kann man anderweitig reagieren.
Zurück zum Döner: Wie schaffe ich es, beim Essen nicht zu kleckern?
Mund auf – Döner rein, Mund zu und kauen. Der Rest gehört dazu!
Vielen Dank, Cihan.
„Einmal mit Alles: Der Döner und seine Verwandten“ von Cihan Anadologlu ist bei Callwey erschienen, hat 192 Seiten und kostet 39,90 Euro. Neben einer Einführung in die Geschichte von Döner und Kebap sowie mit über 50 Rezepten gibt es auch persönliche Imbiss-Tipps des Autoren für viele Städte. Einen Making-of-Bericht zum Buch gibt es hier.