Sushi, Ramen, Yakitori: geht auch alles veggie. Mit „Meine grüne japanische Küche – Vegetarische Rezepte für jeden Tag“ tritt Erfolgs(kochbuch)autor Stevan Paul den Beweis an. Und könnte damit mal wieder einen Trend auch für die Gastronomie lostreten.
Ein Deutscher, der ein japanisches Kochbuch schreibt. So vermessen das im ersten Moment klingt, so überraschend erfolgreich war und ist Stevan Pauls Meine japanische Küche. Unter seinem Dutzend geschriebener Kochbücher ist es sogar der Bestseller, zu dem ihn damals der Hölker Verlag erst überreden musste.
Dabei macht das Buch bei Paul absolut Sinn, wie er selbst sagt: „Schon als Kochlehrling begeisterte mich die japanische Küche, die mir mein Lehrherr Albert Bouley nahe brachte. Bis heute fasziniert mich diese gesunde energetische Küche, die so gut in unsere Zeit passt: Die Reduktion auf das Wesentliche, die Wertschätzung für die Gaben der Natur, Gesundheit, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit.“
Da scheint ein grüner – also pflanzenbasierter – Nachfolger nur konsequent. An den die Erwartungen entsprechend hoch sind: Um nicht an andere japanische Kochbücher mit ihren überwiegend japanischen Autor*innen anzuecken, wendet Paul immer wieder bewusst einen hübschen, verbalen Kniff an, wenn er die Formulierung „zur japanischen Küche“ benutzt.
100 Rezepte mit Einkaufsratgeber und Warenkunde
Und zu ihr fällt ihm auch in seinem neusten Buch allerhand ein. 100 rein vegetarische bzw. vegane Rezepte teilt er ein in die Kapitel: Snacks, Salate, Starter; Sushi & Rice Dishes; Ramen, Brühe, Suppen, Eintöpfe; Donburi & Bowls; Pfanne & Grill und Desserts. Ergänzt wird das Ganze durch eine Warenkunde und erfreulich viele Produkte, die es mittlerweile im Supermarkt, Asia- oder Onlineshop gibt. Mit QR-Code kommt man zudem zu einem digitalen Einkaufsratgeber auf seiner Seite – inklusive vieler bunter Bilder und Adressen. Das erhöht den Wiedererkennungswert beim Einkaufen.
Neu im Buch ist Pauls „Speisekammer-Prinzip“, ein Rezepte-Vorrat für Saucen, Öle und Pasten wie Chili-Ingwer oder seine Kreation „Tare Paul-san“, hinter der sich eine intensive Grundwürze aus Miso- und Sesampaste mit Pflaumenmus, Reisessig, Sojasauce und Chiliöl verbirgt. Mögen mit dieser geballten Geschmacksverstärkung direkt eine Vielzahl seiner Gerichte gelingen.
Wer thematisch noch tiefer einsteigen will, schmökert aber erstmal fröhlich weiter. Denn viel Hintergrundwissen, vor allem zu einer fernen Länderküche, macht den wahren Mehrwert eines und seines Kochbuches aus, das Potential hat, zum Klassiker zu werden.
Miso, japanische Nudeln und vegetarisches Dashi
Da stellt Paul etwa die zehn gängigsten Miso-Arten im Geschmacksprofil vor, wie etwa das leichte, süße, weiße Shiro Miso genauso wie zwei geläufige Blends: Awase und Akadashi Miso. Die glorreichen Nudel-Sieben von Chuka Soba über Ramen bis Udon werden portraitiert und er beschreibt sechs verschiedene Dashi-Varianten, darunter seine „Veggie-Dashi-Paul-san“. Diese Seiten sind fürs Buch essentiell, denn hier hat Paul „die Seele der japanische Küche für die grüne Küche neu gedacht“. Schließlich wird die Gewürz-Allzweckwaffe original mit Kombu-Alge und getrockneten Bonito-Flocken hergestellt. Seine vegetarischen Umami-Alternativen klingen vielversprechend.
Genauso wichtig für die tierfreie Vollmundigkeit sind jede Menge Pilze. Seien es Kräuterseitlinge, die im Buch dank Röstaromen angebraten als Speckersatz dienen, Shimeji-Pilze (Buchenpilze) als Einlage im Eintopf oder getrocknete Shiitakepilze im Reisgericht – und selbstverständlich der alles entscheidenen Kofi-Pilz, den es für die Fermentation der Sojasauce braucht.
Die wird im Buch übrigens verhältnismäßig kurz gehalten. Dafür verrät Paul aber spektakuläres Besserwissen, wenn er schreibt: „Sojasauce, diese alte Würze der asiatischen Küchen, ist wohl chinesischen Ursprungs…“ Und seine Aufklärungsarbeit geht beim Trinken weiter. Der Mythos, man trinke Sake warm oder gar heiß, sei falsch. Im Gegenteil. „Hochwertiger Sake sollte immer kühl (10-15 Grad) oder bei Zimmertemperatur serviert werden“, schreibt er.
Die vegetarische japanische Küche kommt
Mit einigen seiner Bücher gilt Paul im Rückblick als Vorherseher von Trends. Das ging ihm mit Auf die Hand so, auf das zeitversetzt der große Streetfood-Hype folgte, das war bei Open Air und vielen, deutlich später erscheinenden Outdoor-/Campingküche-Büchern so und es könnte ihm erneut mit den vegetarischen Gerichten „zur japanischen Küche“ gelingen.
Ein paar Ideen finden sich bereits heute in der deutschen Gastroszene wieder. Edamame und Ramen sind allgegenwärtig, Yuzu als Dessert- oder Drinkzutat wird immer beliebter und auf diversen Fusionsküche-Speisekarten begegnet einem immer öfter die Miso-Aubergine. Darauf darf gern seine schöne saisonale wie lokale Interpretation folgen: lauwarmer weißer Spargel mit Miso-Dressing.
Während der Trend Taiyaki (diese niedlichen Waffeln in Form einer Meerbrasse mit diversen Creme- oder Eisfüllungen) zumindest für Berlin zu früh war – der Laden im Bezirk Friedrichshain hat nach seiner Eröffnung Ende 2019 schnell wieder geschlossen – geht ein anderes Konzept in der Hauptstadt bestens auf: Sushi ohne Fisch. Das Restaurant Secret Garden serviert ausschließlich vegane Sushikreationen.
Und auch der Premium-Sushilieferdienst Go by Steffen Henssler – mittlerweile mit Hamburg, München, Frankfurt/Main und Berlin in vier deutschen Städten vertreten – präsentiert zumindest zum Teil fantastische vegetarische Variationen wie Avocado-Sashimi, Spargel-Tempura und in Shisoblätter gehüllte Gemüserollen. Würde uns nicht wundern, wenn bald reale Restaurants folgen. Bis dahin hat Stevan Paul aber sicher schon den nächsten Trend am Wickel.