Wann wart ihr das letzte Mal mit einem kleinen Messer und einem Korb bewaffnet im Wald unterwegs auf der Suche nach Pilzen?
Ich muss zugeben, dass es bei mir schon viel zu lange her ist. Gerne erinnere ich mich aber an diese Nachmittage im Herbst, der Ruhe in der Natur und dem anschließenden Essen des selbst Gefundenen. Der Fotograf Moritz Schmid möchte dem Pilzesammeln nun sein angestaubtes Image abklopfen und hat im Buch Into the Woods – Pilze suchen und Glück finden aufgeschrieben, warum ihn die Suche nach den kleinen Gewächsen nicht mehr loslässt.
Der Aufbau des Buches soll an einen Waldspaziergang mit Freunden erinnern, die ihre ganz persönlichen Geschichten erzählen, Tipps rund um die Bestimmung der Pilzsorten geben oder auch Rezepte bereitstellen.
Für viele der Portraitierten – wie Miriam Ritzmann, die aus einer Imkerfamilie kommt und früher jeden Tag mit ihrem Großvater, einem Landwirt, im Wald war oder den DJ und Produzenten Chi-Thien Nguyen, der in seinem Job durch die ganze Welt reist und rund um Berlin oft mit einem Field Recorder durchs Unterholz läuft, um hier die besondere Stille einzufangen – ist es vor allem eine Auszeit vom Alltag und eine Erinnerung an die Kindheit fernab des Großstadtlebens.
Die Köchin Sophia Rudolph aus dem Berliner Restaurant Panama hat vier Rezepte, passend zu den vier Jahreszeiten, zum Buch beigesteuert. Die junge Spitzenköchin hat eine Vorliebe für vegetarische Gerichte und verwendet Pilze gerne als Hauptdarsteller auf dem Teller. Für Rudolph sind sie der perfekte Fleischersatz, nicht nur wegen ihrer Konsistenz sondern auch aufgrund der Proteine, die sie liefern. Sie fand es spannend, „mal ein anderes Pilzbuch zu machen, das nicht nur klassisches Kochrezepte zeigt oder das Thema theoretisch bespricht”, berichtet sie beim vor-Ort-Termin, und war sofort an Bord, als Moritz Schmid sie fragte. Für ihr Restaurant arbeitet sie übrigens mit einem Jäger direkt zusammen, der für sie je nach Saison Bärlauch, Fichtensprossen, Sauerampfer oder eben Pilze direkt im Wald sammelt. Der Herbst ist dabei aufgrund der Fülle der regionalen Produkte ihre liebste Jahreszeit und im Restaurant wird dann fleißig eingelegt.
Besondere Tipps zum Pilzesammeln haben die Köchin und der Fotograf auch parat: Am besten säubert man sie sofort nach dem Abschneiden und legt sie in einen Weidekorb, damit sie nicht matschig werden. Bei Schwammpilzen sollte man ebenfalls den Schwamm direkt entfernen. Besonders freuen sich die beiden übrigens über kleine Pilze, denn je größer der Pilz, desto weicher wird er und die Gefahr nimmt zu, dass er von Maden befallen ist. Und für den Fall, dass man zu viele Pilze gesammelt hat, kann man diese wunderbar dörren oder zu Pilzsalz verarbeiten.
Als zweiter Koch im Buch vertreten ist Tim Tanneberger, Küchenchef aus dem Berliner Restaurant Eins44, dessen Lieblingspilz der Fichtensteinpilz ist. Als Gegenpol zu seinem fordernden Alltag in der Küche fährt er gerne ins Berliner Umland und findet hier neben Inspiration auch neue Produkte, die er direkt weiterverarbeitet. Lindentriebe oder Fichtennadeln werden eingelegt, der Süßpollenstaub der Kiefernzapfen ziert Desserts und Blaubeeren oder Morcheln wandern im Frühling und Sommer in den Korb. Entsprechend der Jahreszeiten passt sich auch die Karte in seinem Restaurant immer und der Wald ist seine ständige Erinnerung an das wechselnde Angebot der Natur. Tanneberger appelliert daran, die uns direkt umgebenden Ressourcen wieder mehr zu nutzen und erklärt, dass sich Zitrusaromen wunderbar mit bestimmten Wildkräutern herstellen lassen.
„Into the Woods” beweist, dass sich das Pilzesammeln nicht nur auf den Herbst beschränkt, sondern der Wald zu jeder Jahreszeit Schätze bereithält. Man muss nur aufmerksam hinsehen und sich etwas Wissen rund um Waldarten und Pflanzensorten aneignen. Und hat man ihn einmal gefunden, den perfekten Spot zum Sammeln, sollte man ihn nicht verraten. Denn dieses Geheimnis behalten Pilzsammler gerne für sich, so Moritz Schmid. Sein Anliegen, das entschleunigende Hobby in die Jetztzeit zu übertragen und zu zeigen wie nachhaltig es ist, seine eigenen Lebensmittel zu sammeln, ist ihm mit diesem Buch, in dem sich Texte und Fotos abwechseln, in jedem Fall gelungen. Sein Lieblingspilz ist übrigens die die Krause Glucke: „Weil sie geschmacklich so besonders ist. Vor allem, wenn man sie dörrt und in Wasser einlegt, entfaltet sie ein ganz besonderes Aroma.“
Und noch etwas Spannendes lernt man im Gespräch mit dem Fotografen: In der Biologie sind Pilze den Tieren näher als den Pflanzen. Denn sie kommunizieren und leben mit den Bäumen in Symbiose. Was wir über dem Waldboden von ihnen sehen, ist nur ein Bruchteil ihrer tatsächlichen Größe und unter dem Boden liegen ihre fadenförmigen Zellen, das Myzell. Auch gibt es unter ihnen einige, die Fleischfresser sind. Zum Beispiel der Austersaitling, der sich von Würmern ernährt. Das verraten wir jetzt aber vielleicht besser nicht den Veganern.
Into the Woods: Pilze suchen und Glück finden
von Moritz Schmid ist im Prestel Verlag erschienen,
hat 176 Seiten mit 200 Farbabbildungen und kostet 32 Euro.