„Es braucht neue Arten der Wissens­vermittlung“ – Gespräch mit Frank Simmeth über sein Buch „Klartext Service“

von Laura Klingenberg
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Spricht Klartext: Frank Simmeth

Frank Simmeth ist gelernter Koch und erfahrener Gastronom. Seit vielen Jahren ist er als Coach tätig und hat sich auf das Thema Persönlichkeitsentwicklung von Gastgebern spezialisiert.

Simmeth hat bereits drei Fachbücher für die Branche geschrieben, unter anderem Gebrauchsanleitung Gastgeber. Jetzt ist sein viertes Buch erschienen, das schon in seiner Aufmachung deutlich poppiger daher kommt: „#Klartext Service” heißt es und auf dem schrillen Streetart-Cover sind unter anderem die Begriffe „Mindfuck“ und „Servicewüste“ zu lesen. 

Was verbirgt sich darin? Worum geht es dem Autor? Das hat uns natürlich sehr interessiert. Unsere Service- und Nachwuchskraft-Expertin Laura Klingenberg hat sich mit Frank Simmeth über sein Buch unterhalten.  

Herr Simmeth, was war Ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben?  

Für langfristigen gastronomischen Erfolg geht es meines Erachtens weniger um: „du musst das so und so machen!“ als um: „was möchtest du tatsächlich machen?“ Nach drei Büchern, in denen es mehr um das „Fachliche“ ging, wollte ich den „etwas anderen“ Ratgeber schreiben, der mehr die wohl ursprünglichste Form der Wissensvermittlung in den Mittelpunkt stellt: Lernen aus Geschichten und Metaphern (in knapp 100 Praxisgeschichten macht Simmeth gastronomisches Alltagswissen plastisch und gibt viele Tricks, Kniffe und Tipps, die sofort im Alltag umsetzbar sind, Anm. d. Red.). 

Mit der Verwendung von Wörtern wie “Mind-Fuck” oder von Hashtags, scheint es, dass Sie vor allem die Millennials ansprechen wollen. Was hat sich Ihrer Meinung nach mit dieser Generation verändert?  

Ich glaube eher, dass wirklich alle Generationen beim Lesen Spaß haben werden. Hashtags und „Mindfuck“ stehen dabei nur stellvertretend dafür, mit alten Konventionen zu brechen. Und ich möchte gerne unter Beweis stellen, dass man auch mit neuer Sprache durchaus alte Werte vermitteln kann. Mit alten, markigen und angestaubten Lehrweisheiten wie „Der Gast ist König“ oder „Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre“ wird das vermutlich nicht mehr gelingen.

 Richtig ist aber, dass die Chance hoch ist, dass auch Millennials wieder mal gerne ein Fachbuch in die Hand nehmen werden. Die Generationen X, Y und Z wollen in Zeiten von Instagram, Facebook und Co. Inhalte und Verständnis nicht mehr aus seitenlangen Fließtexten filtern, sondern sind gewohnt und auch angewiesen darauf, in der heutigen Informations-Dauerbeschallung mit Inhalts-Essenzen zu arbeiten. 

Was sollten Arbeitgeber über diese Generation, vor allem bezüglich des Umgangs mit Auszubildenden, wissen? 

Abgesehen davon, dass es neue, zeitgemäße und vielleicht sogar gehirngerechte Arten der Wissensvermittlung braucht, brauchen Auszubildende ein besonderes Maß an „enger“ Führung, da sie Dinge wie Frusttoleranz, Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen und Eigenmotivation erst lernen müssen. Überzogene Erwartungen sind da eben so wenig angebracht wie Klagen über die „nixkönnende neue Generation“. Wer da als Ausbilder kein Durchhaltevermögen hat, wird auch Auszubildenden schwer die Schlüsselkompetenz Durchhaltevermögen vermitteln können. Ganz sicher schwer wird es aber auch für die Führungskräfte, die versuchen, die neuen Generationen am Körper oder im Kopf zu uniformieren… 

Ihr Ziel im Buch, so verstehe ich es, ist vor allem die innere Haltung der Service-Mitarbeiter zu ändern. Ich habe als Berufsschullehrerin gemerkt, dass eine negative innere Haltung in der Branche vor allem am niedrigen Lohn oder an der fehlenden Wertschätzung der Mitarbeiter liegt. Was müsste sich aus Ihrer Sicht, neben der Haltung, außerdem in der Branche ändern? 

Mein Ziel ist nicht, die innere Haltung zu ändern, sondern eine gewisse innere Haltung zu schaffen. Wir müssen ja nicht alle Servicekräfte ändern – womöglich aber weiterentwickeln. Die Arbeit als Gastgeber erfordert jedenfalls eine gewisse Haltung. Wer seine Gäste beispielsweise nicht wirklich mag oder wenig empathisch am Gast steht, ist ja nicht nur für jeden gastronomischen Betrieb eine Gefahr, sondern auch für sich selbst. Im Buch zeige ich nur an vielen Stellen auf, dass manche Probleme die Gastgeber oftmals schlaflose Nächte bereiten, ganz einfach zu lösen sind, in dem man nur die Sichtweise in der Situation ändert.

Eine Gruppe »Gäste« gibt es nur aus der Sicht der Mitarbeiter im Service. Der Gast selbst sieht sich als Individuum. Gute Gastgeber versuchen, die Sichtweise der Gäste einzunehmen und nicht Gäste zum Perspektivenwechsel zu belehren.

Zitat aus dem Buch

Ich wehre mich dagegen, dass die Gastronomie und Hotellerie generell eine unterbezahlte Branche ist. Die Betriebe, die Ihre Mitarbeiter mit Magerlöhnen abspeisen um die Preise niedrig halten zu können, werden sich über kurz oder lang eh nicht halten können bzw. keine Mitarbeiter mehr bekommen. In Gastronomie und Hotellerie muss man sich aber ein höheres Gehalt im wahrsten Sinne erarbeiten. Ich vermute eher, dass Spezialisten in Küche und Restaurant in naher Zukunft noch ganz andere Gehälter aufrufen können und werden. Fehlende Wertschätzung von Mitarbeitern hingegen ist tatsächlich etwas, was in vielen Betrieben noch ein Problem darstellt und noch ein ganz schönes Maß der Führungskräfte-Entwicklung erfordert. Wer heute schon die Bedingungen der Branche akzeptiert, soll sich eigentlich nicht auch noch mit einem unterentwickelten Chef rumärgern müssen. 

Stichwort Spezialisten in der Küche: Sie beschreiben in dem Kapitel „Der Koch als Held“, wie in dieser Beruf wieder ist. Können Sie sich – und uns – das erklären?  

Das ist eigentlich ganz einfach erklärt: Die unzähligen Kochshows haben dafür gesorgt, dass bei jeder Bambiverleihung auch Köche mittlerweile mit über den roten Teppich gehen. Köche sind populär wie Popstars geworden und ich bin froh darüber, dass gezeigt wird: Als Koch kann man auch selbstbewusster Fachmann sein, nicht nur schmuddeliger Malocher. Ich verstehe auch nicht, dass es in der eigenen Branche so viele Kritiker gegen dieses Bild gibt, also Stimmen, die das als unrealistisch verurteilen. Ich weiß nicht, welchen Vorteil es hat, lieber das Bild des schmuddeligen Malochers aufrechtzuerhalten.

Und wie sieht es mit den Spezialisten im Restaurant aus – wie könnte der Beruf des Restaurantfachmanns bzw. der Restaurantfachfrau wieder genauso in werden? Oder denken Sie, dass dieser Beruf samt seiner Ausbildung aussterben wird?  

Das ist wirklich eine gute Frage und ehrlicherweise auch ein Problem. Eine ganzheitliche Antwort darauf habe ich auch nicht. Meiner Meinung nach liegt aber die Lösung in einer Renaissance dieses Berufsbildes. Ich finde bedauernswert, dass die alten Inszenierungen am Tisch, die wirklich Kompetenz erfordern, wie Tranchieren, Flambieren oder die Zubereitung eines Irish Coffee aussterben bzw. keine neuen Inszenierungen mehr entstehen. Vielleicht stirbt der Restaurantfachmann mit den fehlenden Inszenierungen und umgekehrt. Ich hätte auch keinen Bock darauf, einen Beruf zu lernen, bei dem meinen Kompetenz an Unter- oder Oberbruch gemessen wird. 

Welchen Tipp können Sie Gründern der Branche im Hinblick auf die Mitarbeiter-Führung mit auf den Weg geben?

Ich habe momentan das Gefühl, dass gerade die „neuen Wilden“ den „alten Hasen“ vormachen, wie es geht. Überall entstehen neue Gastrokonzepte, die aus Mitarbeitern eigene Persönlichkeiten machen, diese mit modernen Führungsinstrumenten und täglichen Briefings fördern und entwickeln, statt Mitarbeiter nur zu belehren und zu vereinheitlichen. Wer genau hier einen Tipp braucht – das wird die Zukunft zeigen.  

Vielen Dank, Herr Simmeth.

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Klartext Service setzt neue Akzente: Nicht Wissen ist der Erfolgsfaktor Nummer eins, sondern Verstehen und Verhalten. Das Buch ist ein humorvoller und umfassender Wegbegleiter für Mitarbeiter und Führungskräfte, der Möglichkeiten aufzeigt, sich in den Themengebieten Zusatzverkauf, Servicequalität, Reklamation und Gastkommunikation zu verbessern. 

224 Seiten, 32 Euro, erschienen im Matthaes Verlag, Leseprobe hier

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