Wir müssen über Geld reden. Und Gastronomie. Genauer: gastronomischen Journalismus. Denn nicht nur die Arbeit im Gastgewerbe, auch das Schreiben und Berichten darüber ist mitunter recht prekär. Die „alten Verträge“, die Journalist*innen einst in den Verlagen ein recht gutes Ein- und Auskommen sicherten, gibt’s nicht mehr. Das freie Schreiben über Food und Co. ist ein hartes Brot. Und wenn erst versucht wird, in Naturalien, Reichweite, Spesen oder Versprechen für „bald mehr“ zu bezahlen, dann bleibt oft nicht mehr viel zu knabbern übrig.
Nicole Klauß, selbst freie Schreiberin, Buchautorin, Beraterin und eine, die vieles von dem macht, was man so macht in der Gastro-Medien-Branche, hat sich umgehört. Das Ergebnis ist ernüchternd, aber: Jede*r kann selbst was dafür tun, dass es anders wird.
In einer idealen Welt werden Freie fair bezahlt. Leider leben wir nicht in einer idealen Welt und der Alltag der meisten Freien sieht so aus: Texter*innen bieten Texte an und haben die Möglichkeit, für kleine Honorare zu schreiben (oder es zu lassen). Köch*innen werden für Festivals angefragt, bezahlt wird in Reichweite, für Buchverträge wird ein geringer Vorschuss gezahlt, der zum Teil auch noch mit den Verkäufen verrechnet wird (wenn sich das Buch nicht gut verkauft, bleibt noch weniger vom Vorschuss übrig). Gastronom*innen und Sommelier*innen werden beratend gebucht und auf Babysitterniveau bezahlt. Oder in Reichweite. Oder in „potentiellen Aufträgen“. Oder, gar nicht so selten: in Naturalien, wie die alten Römer, die das Salär (von frz. ‚salaire‘ und lat. ‚sal‘) ihrer Soldaten zuweilen in Salz entlohnten, damals ein sehr wertvolles Gut.
In der aktuellen Ausgabe vom Medium Magazin schreibt Florian Sturm einen offenen Brief an Chefredaktionen, Textchefs und -chefinnen und Redaktionsleiter*innen. Es geht um rhetorische Nebelkerzen, die Freie nicht mehr hören wollen: „(…) die Budgets sind klein“, „Bezahlung erst bei Erscheinen des Artikels“, von Rahmenverträgen man eigentlich nicht unterschreiben sollte, von Themenvorschlägen, die eigentlich nicht ins Heft passen, aber trotzdem später dort zu finden sind. Aus Versehen. Von kurzfristigen Anfragen, schnell mal Bildunterschriften, Infokästen etc. zu schreiben. Ohne die Mehrarbeit zu bezahlen.
Die Gastro(journalismus)branche kann hier in diesen Chor, ohne zu proben, problemlos einstimmen: Onlinerestaurantkritiken, die weniger Honorar bringen, als das günstigste Gericht auf der Karte des zu besprechenden Restaurants. Gewünscht ist aber ein Interview mit dem oder der Küchenchefin und eine „kalte“ Besprechung der Speise, ohne sie probiert zu haben. Auch gängig bei Reisejournalisten: Sie waren kürzlich in der Welt unterwegs und bekommen dann einen Anruf einer Redaktion, über besagtes Land doch schnell einen leichtlesbaren und benefittigen Artikel vom heimischen Schreibtisch zu schreiben. Voll praktisch: Reisekosten werden gespart, und die Redaktion bekommt trotzdem einen authentischen Bericht von einem oder einer vor Ort gewesenen Person und spart dabei Spesen und Reisekosten des Autors oder der Autorin.
Wenn man sich so umhört und mit ein paar Menschen spricht, stellt sich die ernüchternde Erkenntnis ein: Es ist irgendwie überall gleich. Niedrige Zeilenhonorare oder unterirdische Pauschalen. Texte, die von den Redaktionen nach Abgabe geändert werden. Texte, die erst spät veröffentlicht werden und noch später bezahlt werden. Kochbücher, mit niedrigstem Vorschuss, deren Erscheinungstermine immer weiter nach hinten rutschen (und damit die finale Bezahlung der Autor*innen auch). Die Liste ist lang und schmutzig.
„Die Zeit der üppigen Budgets für kulinarische Reisereportagen ist vorbei,“ bestätigt Stevan Paul, Koch, Foodwriter, Kochbuchautor, Foodblogger und Rezeptentwickler. „Pressereisen sind heute fast die einzige Möglichkeit, nicht auf eigene Kosten zu reisen und dann entsprechende Themen an eine Redaktion zu verkaufen.“
Stevan Paul sagt, jede*r Foodschreiber*in habe Themen, die besonders am Herzen liegen. „Herzensthemen sind leider nur in der Mischkalkulation möglich. Das ist traurig. Nur in der Kombination mit gut bezahlten Jobs bleiben Raum und Zeit und finanzieller Spielraum für Herzensthemen. Leider!“
Katharina Jakob, ehemalige Vorständin der Freischreiber, dem Berufsverband freier Journalist*innen, meint dazu: „Wenn man kleine Budgets hat, aber gute Texte möchte, die tief in ein Thema eintauchen, Deep Dive, dann muss das auch bezahlt werden. Wenn Anzeigenkunden weggebrochen sind, das ist schade, aber dafür kann ich nichts. Das will ich gar nicht hören, das interessiert mich null. Das Produkt ist mein Text, das kostet so und soviel, können Sie sich das leisten? Ja oder nein? Ich diskutiere doch auch nicht beim Biobäcker über den Preis vom Brot, erzähle ihm was von schlechter Auftragslage und frage, ob ich das Brot günstiger bekommen kann. Und wenn ich das machen würde: Raten Sie mal, was er mir antworten würde.“
Über Geld muss man sprechen
Die Journalistin Lorraine Haist ist so ein „deep diver“: fundiert recherchierte Texte über Essen und Getränke. Sie bringt beste Voraussetzungen für optimale Verhandlungen mit: sie kann gut schreiben und hat Jura studiert. Allerdings: „Mein Jurastudium, und das dabei geschulte logische Denken, hilft mir beim Schreiben, beim Verhandeln aber nur bedingt. Das musste ich „by doing“ lernen“. Was ihr immer hilft: „Erfahrungen austauschen, mit Freunden, Bekannten und anderen in der Branche“.
Es helfe ihr enorm, über Geld zu sprechen und so viele Leute wie möglich ganz konkret nach Zahlen zu löchern („wie viel nimmst Du für dies und das, wie viel hat man Dir dafür angeboten“, etc.). Einfach immer fragen, fragen, fragen und bloß nicht denken, über Geld spreche man nicht. Als Unternehmer*in solle man unbedingt darüber sprechen. Geld sei schließlich das Benzin, das den Motor des Unternehmens am Laufen halte.
Überhaupt, das Wording. Lorraine stört sich am Begriff „Soloselbstständige“ – das sei auch so ein Unwort in ihren Augen: dass selbstständige Journalist*innen, die keine weiteren Angestellten außer sich selbst haben, als „Soloselbstständige“ oder bezeichnet werden. Egal ob Frau oder Mann. Ein nicht angestellter Journalist sei ein Journalist, genau wie ein angestellter Journalist (den man ja auch nicht als „angestellter Journalist“ bezeichnet). Und er bzw. sie sei gleichzeitig Unternehmer*in, ob er oder sie nun für Zeitungen oder Magazine schreibe, Content texte oder was auch immer. Einen Software-Ingenieur oder Programmierer (von denen viele selbstständig sind), würde man nicht als „soloselbstständig“ bezeichnen, ganz anders als Musiker oder freie Journalisten. Einfach, weil dieser Beruf gesellschaftlich viel mehr anerkannt (und natürlich viel besser bezahlt) sei. Sprache sei zudem sehr mächtig: Männer seien Unternehmer und Frauen werden als Soloselbstständige einfach weniger ernst genommen.
Ist es vielleicht doch eher ein Frauenthema? Verhandeln Frauen schlechter?
Verena Franzen ist Beraterin für Führung und Kommunikation. Sie berät primär weibliche Führungskräfte. Da geht es natürlich auch um Gehälter oder Honorare und Verhandlungen. „Es fehlt Frauen manchmal das nötige Rückgrat! Frauen sind häufig eher bereit, nachzugeben, als Männer. Das hat auch einen gesellschaftlichen Hintergrund, es ist das Gefühl, das stehe ihnen nicht zu. Männer sorgen da eher für sich, unabhängig davon, ob sie eine Familie haben oder nicht. Eventuell spielt da bei Frauen auch Angst vor Konflikten eine Rolle.“
Katharina Jakob rät, wer in eine Verhandlung mit einer Redaktion, einer Agentur oder anderen Auftraggebern gehe, solle sich tunlichst vorher über die branchenüblichen Honorare informieren: „In meinen Workshops zum Thema Honorarverhandlungen sage ich meinen Teilnehmern, ihr müsst recherchieren, was sie ihren guten Kräften zahlen. Das müsst ihr wissen, damit ihr nicht reinfallt auf „Soviel haben wir noch nie gezahlt, das ist ja komplett unüblich“. Es sei so wichtig, dass man die Honorare kenne und diese Duftmarke setze. Richtiges Dumpen funktioniere dann nicht mehr und es geht vor allem nicht so tief runter. Am 7. September findet übrigens das nächste Seminar bei den Freischreibern mit ihr statt.
Es sei natürlich auch ein bisschen branchenabhängig: „Wenn meine Branche schlecht zahlt, dann könnte ich die Branche wechseln. Wenn ich bleibe und nichts verändere, verändere ich mich nicht.“ Sagt Verena Franzen. Jammern und alles so lassen, das sei eine schwierige Kombination: „Wir sind ja nicht fremdgesteuert, jede und jeder kann die Entscheidung treffen: Nichts tun oder etwas tun. Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Außerdem sei da das Learning, sich um sich selber kümmern, das sei nämlich immer gut und bringe immer was für den Selbstwert. Solange die Existenz nicht gefährdet sei und man sorgenfrei leben könne, habe natürlich auch Zeit für (schlechter bezahlte) Leidenschaften.
„Als freie*r Journalist*in vom Schreiben in Zeitungen zu leben, ist eigentlich unmöglich.“
Das eigentliche „Problem“ sind nämlich die jungen Hungrigen: Absolvent*innen von Journalistenschulen oder von der Universität. Einer, der er wissen muss ist Tanjev Schultz, Professor für „Grundlagen und Strategien des Journalismus“ an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz: „Manche Berufsanfänger*innen nehmen alle Aufträge an, egal wie viel Aufwand dahinter steckt, egal zu welchem Preis.“ Das kann man sich als junger Mensch leisten, der Anspruch an die Lebenshaltungskosten ist gering, es muss in der Regel keine Familie ernährt oder ein Haus oder ein PKW abbezahlt werden. Aber: „Als freie*r Journalist*in vom Schreiben in Zeitungen zu leben, ist eigentlich unmöglich.“
Tanjev Schultz saß als als Politik- und Bildungsredakteur der Süddeutschen Zeitung lange auf der anderen Seite in der Redaktion und hat Freie beauftragt: „Die Budgets waren schon damals nicht üppig.“ In der Universität säßen in dem Masterstudiengang Journalismus junge Menschen, die ein Studium absolviert haben. „Die brauchen erstmal Arbeitsproben und nehmen jeden Job an.“ Die Freischreiber werden an die Unis eingeladen, um die jungen Journalist*innen ein bisschen auf die Realität vorzubereiten. Katharina Jakob rät ihren Teilnehmern in den Honorarworkshops: „Macht das ein Jahr, oder auch zwei, ihr braucht Arbeitsproben. Und dann zieht bitte Bilanz und hört auf damit. Dann seid ihr Profis und nehmt bitte Profipreise. Ab dann wird wirklich abgerechnet.“
Auch mal Jobs absagen, gerade in diesen Zeiten?
Stevan Paul ist „picky“ bei Jobs. „Ich nehme nicht alle Angebote an und es ist erstaunlich, wieviel Seelenfrieden man dafür bekommt.“ Ein abgesagter Job bedeutet ja auch Zeit, die anderweitig genutzt werden kann. Zur Akquise neuer Auftraggeber zum Beispiel. Wenn da nur ein neuer, gut zahlender Auftraggeber das Ergebnis ist: Win-Win.
Exakt das sagt auch Katharina Jakob: „Sie müssen bei Ihren Auftraggeber*innen aussieben. Es werden nicht so viele übrig bleiben, aber es werden die übrig bleiben, die gut zahlen. Wenn Sie für viele arbeiten, die Ihnen ganz wenig Geld zahlen, machen Sie sich tot. Sie steuern mit voller Kraft in den Burnout, weil sie soviel arbeiten müssen. Sie kommen nicht unter 50 Stunden die Woche. Und das machen Sie nicht lange.“
Hier hilft vielleicht noch mal das Beispiel vom Biobäcker: Er verkauft sein Brot für gutes Geld. Das Brot ist kein Schnäppchen, denn ein Sauerteigbrot mit langer Ruhezeit. Er verkauft keine Massen davon, aber genug, um ein gutes Auskommen zu haben. Und vor allem verkauft er sein Brot nicht für weniger Geld, nur weil da ein Kunde steht, bei dem es gerade nicht so gut läuft. Keiner würde im Übrigen ja auf die Idee kommen, beim Bäcker zu handeln.
Katharina Jakob hat sich für das Biobäcker-Modell entschieden: gute Texte für gutes Geld. Sie ergänzt aber auch: „Wenn jemand unbedingt einen Auftrag annehmen möchte, der unterbezahlt ist, weil es z. B. ein Herzensthema ist oder weil man unbedingt für dieses Medium schreiben möchte, dann kann man die Strategie anwenden, dass man sagt: okay, für diesen einen Auftrag lasse ich mich drauf ein. Aber nur unter der Bedingung, dass es einen Folgeauftrag zu meinen Konditionen gibt, zu meinem Preis. Und das hält man dann gleich schriftlich fest.“
Immer zuerst den eigenen Preis nennen!
Und jetzt kommt eine der wichtigsten Regeln: „Was auf keinen Fall passieren darf, ist zu fragen: Was zahlen Sie denn so?“. Den ersten Zug muss also der oder die Freie machen. Denn sonst steht eine erwartbar niedrige Zahl im Raum und „aus dem Keller kommen Sie nie wieder raus“.
Die Freien sollten also tunlichst mit den weißen Figuren spielen, damit der potentielle Auftraggeber der Nachziehende ist. „Offener Sizilianer“ und so.
Der Tipp, nur gut bezahlte Jobs anzunehmen, ist übrigens deswegen schon gut, weil die Auftragnehmer*innen natürlich wissen, wie die branchenüblichen Honorare sind. Und wenn jemand seine Arbeitsproben bei vielen schlecht zahlenden Medien vorweist, dann wird die Luft zum Verhandeln bei der Akquise dünn. Also ähnelt die Vorbereitung für ein Honorargespräch im Prinzip einem Kauf für ein größeres Haushaltsgerät oder einem eBike, da recherchiert ja jeder auch vorab auf Vergleichsportalen. Das Portal für freie Journalist*innen ist der Freischreiber-Honorarreport.
Kleine Kostprobe gefällig? Hier ein paar Auszüge aus dem Honorarreport 2020:
Die Rheinische Post zahlt Freien in den Außenredaktionen 0,30 Euro pro Zeile. Klartext: Ein Text von 100 Zeilen wird mit 30,00 Euro entlohnt. Arbeitszeit: 4 bis 5 Stunden. Freie Autoren warten bei der Süddeutschen Zeitung mitunter bis zu acht Monate auf ihre Bezahlung. Eine Reportage auf Spiegel Online wird mit 250 Euro honoriert, Zeit Online legt 100 Euro drauf.
Riechsalz, anyone? Fazit vom Freischreiber-Team: „Journalismus wird zum Ehrenamt. Oder zum Hobby.“
Das Futter für den Honorarreport liefern die Texter*innen übrigens selber. Auf www.wasjournalistenverdienen.de/ kann jede*r Texter*in die Honorare eintragen und abfragen.
Die jungen Hungrigen waren ja immer da, wir waren ja alle auch mal jung und hungrig. Oder hat Frau Jakob immer schon gute Honorare bekommen? Die Frage sorgt für lautes Lachen: „Nein! Ich war die, die immer gefragt hat, was zahlen Sie denn so? Da ging so lange, bis ich meinen ersten Honorarworkshop gemacht und gelernt habe: als erstes meinen Preis nennen.“
Sebastian Bordthäuser ist Sommelier und auch er kennt „unmoralische Angebote“: „Gerade hier in Köln stehen an jeder Ecke Privatsender und brauchen billiges Futter. Wir sind ja das Brät, das die Wurst stopft. Ohne uns hätten sie kein Programm. Diese Redaktionen wollen etwas sein, was sie nicht sind: Qualität im Programm haben, die sie aber nicht bezahlen wollen.“
Es werde sich mitunter nicht an die einfachsten Absprachen gehalten, bei Jobs mit geringem oder keinem Honorar – bei TV-Jobs keine Seltenheit – sollten wenigstens die entstandenen Kosten für Getränke und Lebensmittel zügig ersetzt werden. Stichwort Tastings und Pairings. Aber auch er wartet häufig länger auf Zahlung. Besonders schwierig sei es, wenn die Vermittlung über Bekannte kommt. Ob er das mal eben machen könne, es gebe kein Geld, aber es sei ja TV und das zahle sich langfristig aus. Bezahlung in Reichweite. Whoop, whoop!
Sebastian Bordthäusers Blutdruck steigt beim Gespräch sichtlich. Mitunter werde ihm eine Aufwandsentscheidung angeboten: „Aufwandsentschädigung, wenn ich das schon höre! Oder man erstattet mir die Unkosten! Was sind Unkosten? Ich habe keine Unkosten, ich koste einfach Geld!“
Gerade in der Pandemiezeit habe er einige unmoralische Angebote bekommen. Weil die Zeiten ja schlecht seien: „Sie versuchen in der Krise uns das Wasser abzugraben, statt mit uns gemeinsam durch die Krise zu gehen.“
Die angebotenen Währungen sind kreativ und durchaus fantasievoll: Journalist*innen werden in „kleines Geld“ bezahlt. Im Foodbusiness wird gerne in „Reichweite“ entlohnt. Konkret: Köch*innen mit einem Stern oder mehreren werden für Foodfestivals gebucht. Sie sind die Zugpferde, die ganz vorne und prominent in den Programmen und auf den Websites zu sehen sind, damit die Leute die Festivals besuchen und für Mehrgangmenüs von diesen Köch*innen dreistellige Summen bezahlen. Sehr häufig ist es aber so, dass es kein Honorar für diese Zugpferde gibt, zumindest keins, wovon man sich ein Biobrot kaufen könnte, sondern eine Handvoll „Airtime“ oder „Wenn-wir-wieder-Mal-so-was-in-der-Art-machen-dann-bist-du-der/die-Erste-auf-unserer-Liste“.
Diese Währung gab es übrigens schon im Spätmittelalter: „Sorge dich nicht um ungelegte Eier“, riet nämlich schon Martin Luther.
Professor Tanjev Schultz betont die Wichtigkeit von Netzwerken der Alumni von Unis und Journalistenschule: „So können Absolventen Ehemalige kontaktieren und die Tür zu einem Auftrag öffnet sich leichter als bei einer Kaltakquise“. Die Bezahlung freier Journalisten sei leider in den meisten Bereichen nicht angemessen.
Es gab eine gute Zeit in den Achtzigerjahren mit üppigen Spendenkonten und guten Honoraren. Jetzt gäbe es kaum noch die großen Budgets für die langen und gut recherchierten Themen. Solange es immer genug Freiwillige für dieses Ehrenämter gibt, wird das auch genauso weiter gehen.
Ist da ein Ende in Sicht?
Jede*r Einzelne muss einfach auf sich achten, und sich, wenn möglich, sich mit anderen zusammentun. Wenn die guten Texter*innen, Köch*innen, Sommelièren und Sommeliers absagen und nur Berufsanfänger bleiben, dann sinkt langfristig das Niveau. Das möchte ja auch niemand. Bestes Beispiel ist hier der Kauf der Washington Post durch Jeff Bezos: plötzlich war Budget da, erfahrene Leute wurden beauftragt, das Niveau stieg, es konnten neue Leser*innen gewonnen und Stammleser*innen gehalten werden. Und, bevor jetzt alle aufschreien, Jeff Bezos sei ja von der dunklen Seite der Macht, ja mag sein, aber es geht hier um eine jetzt finanziell gut ausgestattete Zeitung, die Abonnenten im großen Stil verlor, einfach weil das Niveau kontinuierlich sank.
Das Micro-Vademecum zum Thema „Verhandeln“ ist übrigens der Artikel des Schweizer Journalisten Constantin Seibt aus dem Jahr 2013 mit dem zauberhaften Titel: Verhandle, gottverdammtes Arschloch. Es geht hier um eine der wichtigsten Skills, die eine Unternehmerin oder ein Unternehmer beherrschen muss: erfolgreich zu verhandeln.
Wie kann das Dilemma nun gelöst werden?
Auftraggeber*innen hängen sich bitte folgendes Plakat über den Schreibtisch: „Gute Arbeit kostet Geld“. Das ist Wertschätzung dem Auftragnehmer gegenüber. Wer nicht genug Geld hat, bekommt keine guten Texte, keine Expert*innen. Organisator*innen von Foodfestivals kümmern sich um ausreichend Sponsoren und können dann alle gut bezahlen und Zeitungen und Zeitschriften reduzieren den Umfang der Ausgaben und haben dann Budget für Deep Diver, Lektoren und Korrektorat.
Auftragnehmer*innen hängen sich folgende kleine Liste über den Schreibtisch, schon zwei Punkte davon verinnerlicht und umgesetzt und das Leben ist schöner, versprochen:
- immer verhandeln und als erstes den eigenen Preis nennen
- regelmäßig mit Kolleg*innen austauschen
- eine Nische suchen (da sind einfach weniger Wettbewerber unterwegs)
- nicht auf „Total buy outs“ einlassen (wenn, dann nur mit angemessener Honorierung)
- auf Skalierbarkeit achten
- wissen was die eigene Arbeit wert ist
- schlecht honorierte Jobs ablehnen
- den eigenen Ethos immer im Blick haben
Und dann wären wir doch wieder bei den alten Römern: Appius Claudius Caecus, römischer Politker und Staatsmann hat, neben einer Reform der Rechtschreibung der lateinischen Sprache, der Nachwelt auch folgende weisen Worte geschenkt: „Fabrum esse suae quemque fortunae“: Jeder ist seines Glückes Schmied.
Vielen Dank an Sebastian Bordthäuser, Verena Franzen, Katharina Jakob, Lorraine Haist, Stevan Paul und Tanjev Schultz für die guten und offenen Gespräche.