Es ist warm. Schönstes Spätsommerwetter, blauer Himmel. Ich stehe mit Gummistiefeln an den Füßen und Gummihandschuhen an den Händen in einem Hopfenfeld in der Nähe des böhmischen Städtchens Žatec (Saaz). Es ist das größte Hopfenanbaugebiet Tschechiens, seit 900 Jahren wird er hier schon kultiviert.
Flagschiff ist der Halbfrühe Rothopfen, auch Saazer Hopfen genannt, der rund 85% des hiesigen Gesamtanbaus ausmacht. Für Pilsner Urquell (das Unternehmen hat mich eingeladen, mir das Anbaugebiet einmal anzuschauen) wird ausschließlich dieser sanft aromatische Hopfen verwendet. Beim Brauprozess wird er der ungehopften Würze zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten hinzugegeben und sorgt für den für tschechische Biere so typischen kräftigen, vollen Geschmack und eine feine Bitterkeit.
In der Region werden daneben auch hopfigere und bitterere Sorten wie Sládek und Premiant kultiviert; Bor, Rubín, Agnus, Vital und Bohemie heißen weitere Hopfensorten, die hier wachsen. Seit einiger Zeit bedient man auch die steigende Nachfrage nach Bieren mit besonderem Geschmack, zum Beispiel für IPAs.
Aus der Region wird der Hopfen in die ganze Welt geliefert: Brauereien in Peru, Uganda oder Japan sind Kunden. In den nächsten Tagen beginnt die Ernte. Es war kein leichtes Jahr für die rund 80 Pflanzer, die hier Flächen von 5 bis 350 Hektar bewirtschaften. Das Hochwasser des Frühsommers sorgte auch hier für Schäden, stand teilweise bis zu zwei Monate auf einigen Feldern dieser sonst recht trockenen Gegend, die eigentlich in einem „Regenschatten“ liegt, umgeben vom Erzgebirge, der Grenze zu Deutschland, den markanten Vulkanhügeln der Duppauer Berge und dem böhmischen Mittelgebirge, dem „středohoří“. Man müsse mit einem Ernteverlust von zehn Prozent rechnen, erklärt uns Zdeněk Rosa, Vorstandsvorsitzender von Bohemia Hop, dem größten tschechischen Hopfenproduzenten. Auch der vergangene Winter habe den Bauern zu schaffen gemacht: „Im Januar hatten wir plus zehn, im Februar drei Wochen minus 20 Grad, ohne Schnee. So einen Temperaturunterschied hatten wir noch nie.“
Diese Aussagen stimmen schon ein wenig nachdenklich, mitten in dieser sonnigen Idylle. Mit ihren kleinen Hügeln, grün bewachsenen Feldern und urigen Bauernhäusern hat die Gegend um Saaz den Charme eines Weinanbaugebiets. Mit dem einen Unterschied, dass die Reben hier Dolden statt Trauben tragen. Und dass sie ein bisschen höher sind: Nach dem langen Winter haben diese einen richtigen Schuss gemacht, sieben Meter sind sie zwischen Mai und Juni gewachsen.
Binnen Sekunden liegt die hoch gewachsene Pracht danieder: Ich starte die Ernte vorzeitig und reiße eine Rebe von seiner Aufhängung. Dann pflücke ich die Dolden von Hand, so, wie es in alten Zeiten gemacht wurde. Heute wird diese Arbeit auch hier längst mithilfe von Maschinen erledigt. Bei den Mengen, die allein die Brauerei in Pilsen an Hopfen benötigt, ist das auch besser so: Fast neun Millionen Hektoliter Pilsner Urquell werden im Jahr gebraut, zwei Millionen gehen in den ausländischen Markt, Deutschland ist Hauptabnehmer. Für einen Liter Bier werden etwa drei bis vier Dolden benötigt. Insgesamt braucht man also… nun ja, eine ganze Menge auf jeden Fall.
Mein bescheidener Ertrag wird nicht für viel Bier reichen, fürchte ich. Nach einer halben Stunde Pflücken ist der Korb gerade mal zu einem Drittel gefüllt. Ein voller Korb reicht für 500 Liter, erklärt Herr Rosa. Meine Ernte würde folglich den jährlichen Bierverbrauch eines Tschechen decken, rund 135 Liter. Immerhin: Ich habe einen tschechischen Jahres-Eigenbedarf erwirtschaftet. Die restliche Produktion überlasse ich aber doch lieber den Profis, die das Pils schließlich erfunden haben. Deren Werk schaue ich mir in der Brauerei von Pilsner Urquell an. Und deren Ergebnis probiere ich, frisch und unfiltriert vom Fass gezapft, in den kühlen Kellergewölben der Brauerei. Na zdraví!