Man muss es sich vor Augen halten: Wir haben das Jahr 2013, seit über 50 Jahren leben und arbeiten viele türkische und türkeistämmige Menschen in Deutschland. Doch im Gegensatz zu anderen Migrantengruppen, Italienern oder Griechen etwa, hat das kulinarisch-gastronomisch oberhalb des Imbissniveaus – Ausnahmen bestätigen die Regel – kaum Spuren hinterlassen.
„Im Gegensatz zur italienischen ist es der türkischen Küche in Deutschland bis heute erst in Ansätzen gelungen, aus dem Bereich der Imbiss- und Schnellrestaurantkultur in das hochpreisige Restaurantsegment vorzudringen“, schreibt Maren Möhring in ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema, Fremdes Essen: Die Geschichte der ausländischen Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland.
Warum das so ist, damit habe ich im Rahmen eines Beitrags für das Gastronomie-Fachmagazin Fizzz beschäftigt, der in der Dezember-Ausgabe 2013 erscheint. Dazu habe ich mit Gastronomie-Machern aus Berlin, Hamburg und München gesprochen, die mit ihren Konzepten die Ausnahme der Regel darstellen bzw. Schritte unternehmen, den Deutschen die vielfältige türkische Küche schmackhaft zu machen.
Auch gesprochen habe ich dabei mit Onur Elci von der Kitchen Guerilla. Die Koch-Crew aus Hamburg bereitete kürzlich auf dem Spirit of Istanbul-Fest von Yeni Rakı in Berlin bei ihrem Live-Cooking diverse türkische Vorspeisen, Meze, zu und servierte sie den Gästen. Auf ihrem Blog hat die Kitchen Guerilla jetzt die Reihe Mezzelogy mit Meze-Rezepten zum Nachkochen gestartet. Und noch jemand leistet Pionierarbeit (so muss man es wohl nennen) in Sachen türkischer Küche: Orhan Tançgil aus Düsseldorf mit seinem Blogprojekt Koch Dich Türkisch. In einem TV-Auftritt erzählt er, wie er während seines Studiums in Deutschland auf die Idee gekommen ist, Rezepte der Familie nachzukochen und daraus schließlich ein Geschäft zu machen (Caterings, Kochbücher, iPad-Magazin und mehr).
Ob wir bald einen Türkei-Food-Boom erleben? Die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung – und damit auch für mehr authentische Gastronomie-Konzepte – türkischer Küche sind nicht so gut wie die anderer „Gastarbeiter-Küchen“, was vor allem daran liegt, dass es schwierig ist, Fachkräfte zu bekommen. Sie aus dem Nicht-EU-Land Türkei zu holen, ist aufgrund des aktuellen EU-Rechts kaum möglich, und hier lebende, in der Küche gut ausgebildete Leute sind rar. Aber das Interesse an türkischen Speisen jenseits von Döner und Co. könnte sich – auch wegen der genannten Initiativen – nun bald stärker werden. Und steigt es, dann werden clevere Gastronomen und Geschäftsleute sicher auch versuchen, diese neue Nische zu besetzen. Warum sollte der hippe Gemüsekebap das maximal Mögliche in Sachen Innovation in diesem Bereich sein?
Es wäre wünschenswert, dass jetzt Bewegung in das Thema kommt. Denn die Vielfalt der Küche der Türkei, von der Meze-Küche des Mittelmeers über die anatolische Landküche bis zu den Streetfood-Kreationen aus Istanbul (tolle Foodbilder aus der Stadt gibt es auf Cafe-Future.net), wird derzeit nur mit wenigen Ausnahmen in Deutschland abgebildet. Und das ist, zumal nach über 50 Jahren Migration, ein Jammer.
Bild: türkische Meze via Shutterstock
2 Kommentare
Ich finde es wirklich aufregend zu sehen, wie die türkische Küche langsam aber sicher in Deutschland Fuß zu fassen scheint. Die Vielfalt der Aromen und Gerichte ist einfach unwiderstehlich! Besonders beeindruckend finde ich die Initiativen von Leuten wie Onur Elci und Orhan Tançgil, die sich wirklich dafür einsetzen, die authentische türkische Küche bekannter zu machen.
Es wäre fantastisch, wenn mehr Menschen die Gelegenheit hätten, die reiche kulinarische Tradition der Türkei zu entdecken. Könnte das der Beginn eines echten Türkei-Food-Booms in Deutschland sein?
Ich würde es gut finden, wenn es mehr verschiedene Einflüsse von Gerichten geben würde.
Es unterstützt einfach die Vielfalt im Gastroniegewerbe.